
Die Zofen
von Jean Genet
Aus dem Französischen von Simon Werle
"Ich werde schön sein."
Claire und Solange sind Angestellte der Gnädigen Frau. Ist diese fort, beginnen die Schwestern ein Spiel. In Szene gesetzt werden die Machtstrukturen des Haushalts, in dem sie leben: überhöht, theatralisch, mit großer Lust an Gewalt und Unterwerfung. Noch sind es Proben, doch das Ziel der Inszenierung scheint festzustehen: der wahrhaftige Mord an ihrer Herrin. Bis die Grenzen zwischen Rolle und Realität, Imagination und Wirklichkeit immer durchlässiger werden.
"Eine Sache muss schriftlich festgehalten werden: Es handelt sich nicht um ein Plädoyer über das Los der Domestiken. Ich vermute, es gibt eine Gewerkschaft der Hausangestellten – das geht uns nichts an." (Jean Genet)
"Ich werde schön sein."
Claire und Solange sind Angestellte der Gnädigen Frau. Ist diese fort, beginnen die Schwestern ein Spiel. In Szene gesetzt werden die Machtstrukturen des Haushalts, in dem sie leben: überhöht, theatralisch, mit großer Lust an Gewalt und Unterwerfung. Noch sind es Proben, doch das Ziel der Inszenierung scheint festzustehen: der wahrhaftige Mord an ihrer Herrin. Bis die Grenzen zwischen Rolle und Realität, Imagination und Wirklichkeit immer durchlässiger werden.
"Eine Sache muss schriftlich festgehalten werden: Es handelt sich nicht um ein Plädoyer über das Los der Domestiken. Ich vermute, es gibt eine Gewerkschaft der Hausangestellten – das geht uns nichts an." (Jean Genet)
Regie Ivan Panteleev
Bühne / Kostüme Johannes Schütz
Sound-Design Martin Person
Licht Robert Grauel
Dramaturgie Claus Caesar
Premiere
2. Dezember 2017, Deutsches Theater
2. Dezember 2017, Deutsches Theater
Samuel FinziClaire

Wolfram KochSolange

Bernd StempelGnädige Frau

Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
Claire und Solange: Samuel Finzi und Wolfram Koch! Schon so oft auf der Bühne des DT: ein diabolisches Duo, ein phänomenales Paar. Befeuerte Komödianten, dann plötzlich spielen sie das Leben grundtraurig - wie Asche, die Gott von seiner Zigarettenspitze schnippt. Das Komische, das Tragische als großer Zauber: Man kann auch an Knochen nagen, die gar nicht da sind, man kann mit allem spielen, das nicht existiert. Mit allem, das gemeinsam das Nichts bildet. Und schon ist das Nichts bevölkert. Die Finzi-Koch-Daseinserzählung: Wir Menschen sind gestartet und können es nicht fassen; wir sind gestrandet und begreifen auch dies nicht.
Finzi behandelt Weisheit wie Sonnenblumenkerne: Die sind was zum Kauen, aber auch zum Spucken. Ein schlenzendes Gemüt, dem sich Güte glatt auch auf Gauner reimen würde. Koch kann sich aasig winden, alle Körperteile ein Schlitzohr. Spitz, lauernd, vorder- und hinterlistig, betörend glasig. Sich ausdrücken, Schauspielers Gewerbe: Das klingt ein wenig nach Tube. Finzi und Koch können das großartig: auf die Tube drücken - aber so, dass alles an ihnen Schicksal wird. Minirock und die Perücken plötzlich abgenommen: im traurigen Witzbild so viel Verletzlichkeit, Angst und Scham.
Es scheint in diesen hundert Minuten, als sitze Regisseur Panteleev in den Zwischenräumen seiner eigenen Arbeit und schärfe unmerklich, aber raffiniert die Kanten der Inszenierung, bis das Spiel, eben noch so rund und lustspielgeläufig, sehr schneidend und gewalttätig wird. Finzis Claire ist aufreizend mürrisch und von graziler Bosheit, wenn sie Madames rotes Kleid trägt. Im Furor der Verzweiflung reißt Claire sich die erbärmliche hässliche Haut vom Leibe, ach nein, es ist nur das dünne Netz der grünen Strumpfhose. Ein Weinen und Greinen und Schreien, das sich gleichsam zum Singen zwingt.
Koch als Solange: eine Veteranin der abgelebten Leere, der spukhaften Trauer, des kalten Fiebers der Müdigkeit. Wo sich Finzi mit lustvoll rauem Ingrimm in die leidwunde Hysterie einer unerreichbaren Befreiung brüllt, da schwärmt sich Koch in jene kurze Berühmtheit aus Hinrichtung und Beerdigung, die er als Mörderin der »Gnädigen Frau« erlangen wird. [...]
Leben heißt in guten Inszenierungen: leiden. Aber leiden heißt hier auch: übers Leiden lachen. Das ist Verrat am Leiden. Oder Triumph. Triumph zum Heulen. Dies zeigt die Inszenierung - und lässt an diesem Umstand ihre Zofen aufs Neue leiden. Und lässt sie darüber dann gesteigert böse, hämisch, giftig grinsen. Sozusagen ein Doppelverrat, der sich immer weiter vervielfacht. Und in Bernd Stempels gnädiger Frau einen nächsten Höhepunkt erklimmt. Blaues Kleid, dann seidiger Unterrock, die tantengraue Perücke, dann Glatze - Stempel besitzt die wunderbare Fähigkeit einer salopp tänzelnden Ironie, die wunderbar leicht unter Bedeutungen hinwegtauchen kann. Ein fröhlich-nöliger Herunterkühler, der diese »Gnädige Frau« zur zart robusten, heimlichen Lenkerin des Zofenspiels erhebt. Jean Genet jedenfalls hat seinem Stück »Die Zofen« (1947) die Bitte beigegeben: »Drei Weiber, gespielt von drei Männern, so wäre es wünschenswert.« Ivan Panteleev (Bühne und Kostüme: Johannes Schütz) inszenierte am Deutschen Theater Berlin - mit Samuel Finzi, Wolfram Koch, Bernd Stempel. [...]
Claire und Solange: Samuel Finzi und Wolfram Koch! Schon so oft auf der Bühne des DT: ein diabolisches Duo, ein phänomenales Paar. Befeuerte Komödianten, dann plötzlich spielen sie das Leben grundtraurig - wie Asche, die Gott von seiner Zigarettenspitze schnippt. Das Komische, das Tragische als großer Zauber: Man kann auch an Knochen nagen, die gar nicht da sind, man kann mit allem spielen, das nicht existiert. Mit allem, das gemeinsam das Nichts bildet. Und schon ist das Nichts bevölkert. Die Finzi-Koch-Daseinserzählung: Wir Menschen sind gestartet und können es nicht fassen; wir sind gestrandet und begreifen auch dies nicht.
Finzi behandelt Weisheit wie Sonnenblumenkerne: Die sind was zum Kauen, aber auch zum Spucken. Ein schlenzendes Gemüt, dem sich Güte glatt auch auf Gauner reimen würde. Koch kann sich aasig winden, alle Körperteile ein Schlitzohr. Spitz, lauernd, vorder- und hinterlistig, betörend glasig. Sich ausdrücken, Schauspielers Gewerbe: Das klingt ein wenig nach Tube. Finzi und Koch können das großartig: auf die Tube drücken - aber so, dass alles an ihnen Schicksal wird. Minirock und die Perücken plötzlich abgenommen: im traurigen Witzbild so viel Verletzlichkeit, Angst und Scham.
Es scheint in diesen hundert Minuten, als sitze Regisseur Panteleev in den Zwischenräumen seiner eigenen Arbeit und schärfe unmerklich, aber raffiniert die Kanten der Inszenierung, bis das Spiel, eben noch so rund und lustspielgeläufig, sehr schneidend und gewalttätig wird. Finzis Claire ist aufreizend mürrisch und von graziler Bosheit, wenn sie Madames rotes Kleid trägt. Im Furor der Verzweiflung reißt Claire sich die erbärmliche hässliche Haut vom Leibe, ach nein, es ist nur das dünne Netz der grünen Strumpfhose. Ein Weinen und Greinen und Schreien, das sich gleichsam zum Singen zwingt.
Koch als Solange: eine Veteranin der abgelebten Leere, der spukhaften Trauer, des kalten Fiebers der Müdigkeit. Wo sich Finzi mit lustvoll rauem Ingrimm in die leidwunde Hysterie einer unerreichbaren Befreiung brüllt, da schwärmt sich Koch in jene kurze Berühmtheit aus Hinrichtung und Beerdigung, die er als Mörderin der »Gnädigen Frau« erlangen wird. [...]
Leben heißt in guten Inszenierungen: leiden. Aber leiden heißt hier auch: übers Leiden lachen. Das ist Verrat am Leiden. Oder Triumph. Triumph zum Heulen. Dies zeigt die Inszenierung - und lässt an diesem Umstand ihre Zofen aufs Neue leiden. Und lässt sie darüber dann gesteigert böse, hämisch, giftig grinsen. Sozusagen ein Doppelverrat, der sich immer weiter vervielfacht. Und in Bernd Stempels gnädiger Frau einen nächsten Höhepunkt erklimmt. Blaues Kleid, dann seidiger Unterrock, die tantengraue Perücke, dann Glatze - Stempel besitzt die wunderbare Fähigkeit einer salopp tänzelnden Ironie, die wunderbar leicht unter Bedeutungen hinwegtauchen kann. Ein fröhlich-nöliger Herunterkühler, der diese »Gnädige Frau« zur zart robusten, heimlichen Lenkerin des Zofenspiels erhebt.
Nach etwa einer Stunde tritt Bernd Stempel als gnädige Frau auf und spielt eine zutiefst bösartige und sehr lustige Karikatur einer Gutmenschin: patent, uneitel, befolgt alle Regeln der Achtsamkeit gegenüber ihren Dienstboten – ein so überheblicher, freundlicher Trampel, dass es einen schaudert. Eine ausgezeichnete Charakterstudie. Finzi ist und bleibt aber ein Ausnahmeschauspieler. Nichts was er macht, ist hohl, er ist immer in Verbindung mit etwas schwer zu Beschreibendem, sowas wie Knoten innerer Wahrheit, in denen irgendetwas lebt. In einem Augenblick ist er ganz vernünftig, im nächsten ein Kind mit einem unheimlichen, dummdreisten Ausdruck, dann wieder sieht man nur noch das Weiße in seinen Augen und gleich darauf wirkt er zutraulich und vergnügt. Man schaut ihm jeden Augenblick mit Interesse zu, er spielt nur diesmal nicht mit den rätselhaften Impulsen, stellt sie nicht zur Schau – als wollte er sie den Zuschauern vorenthalten.
Nach etwa einer Stunde tritt Bernd Stempel als gnädige Frau auf und spielt eine zutiefst bösartige und sehr lustige Karikatur einer Gutmenschin: patent, uneitel, befolgt alle Regeln der Achtsamkeit gegenüber ihren Dienstboten – ein so überheblicher, freundlicher Trampel, dass es einen schaudert. Eine ausgezeichnete Charakterstudie.
Natürlich ist das ein kleiner, feiner und sehr eleganter Abend – wie sollte es anders sein mit diesem Meister-Trio auf der Bühne? Wolfram Koch und Samuel Finzi bilden ein unerhört bewährtes Ausnahme-Duo, sie trippeln im Wechsel herein und platzieren die Ausstattung fürs herrschaftliche Zimmer im Hause von Madame. Finzi bringt die wichtigeren Dinge, einen Wecker und das Telefon, das später eine wichtige Rolle spielen wird, Koch immer nur Blumen – die Finzi aber sofort wieder abräumt. Beider Haltung ist ausgestellte Pose: wie der Männerkopf sich Frauenkörper bei der Arbeit vorstellt. [...]
Natürlich ist das ein kleiner, feiner und sehr eleganter Abend – wie sollte es anders sein mit diesem Meister-Trio auf der Bühne?
Das Publikum quietscht über die Männer im reduzierten Fummel. Und wie Koch und Finzi die Geschlechterklischees mischen, jede Eindeutigkeit vermeiden, das hat schon was: Zackig klacken die Absätze, breitbeinig wirken ihre Gesten, genervt ihre Zickigkeit, wenn Finzi die Blumen versteckt, die Koch gerade erst angeschleppt hat. [...] Die Sache wird [...] spannend, als Bernd Stempels Gnädige Frau hereintrippelt, ein Wunderwerk aus Colliergriff und Schattenboxen. Mit äußerster Spiellust zelebriert Stempel die Doppelbödigkeit seiner Figur, eine Tyrannin der Zurückhaltung und der perfekten Manieren. Was bleibt, ist eine bittersüße Komödie [...] auf Johannes Schütz' steriler Bühne: Eine weite Spiegelwand dreht sich um sich selbst (der vielen Spiegelmotive im Stück wegen, aber auch, weil sich das Publikum drin selbst erkennt). Drüber ist viel Luft, davor zunächst Komik. Denn Panteleev hat das Stück so besetzt, wie es sich Genet vorgestellt hatte: ausschließlich mit Männern. Also staksen Finzi und Koch, in vielen Produktionen schon Berlins Theatertraumpaar, auf Absätzen und in kurzen Röcken auf die Bühne.
Das Publikum quietscht über die Männer im reduzierten Fummel. Und wie Koch und Finzi die Geschlechterklischees mischen, jede Eindeutigkeit vermeiden, das hat schon was: Zackig klacken die Absätze, breitbeinig wirken ihre Gesten, genervt ihre Zickigkeit, wenn Finzi die Blumen versteckt, die Koch gerade erst angeschleppt hat. [...] Die Sache wird [...] spannend, als Bernd Stempels Gnädige Frau hereintrippelt, ein Wunderwerk aus Colliergriff und Schattenboxen. Mit äußerster Spiellust zelebriert Stempel die Doppelbödigkeit seiner Figur, eine Tyrannin der Zurückhaltung und der perfekten Manieren.
Wenn Finzi und Koch zusammen auf der Bühne stehen, wie bei "Warten auf Godot", ebenfalls von Panteleev inszeniert, ist das beinahe ein Selbstläufer. Allerdings hat sich schon Jean Genet für die drei Rollen des Stücks, also die Zofen und die Gnädige Frau, die die Zofen umbringen wollen, eine rein männliche Besetzung gewünscht. [...]
Provokant ist das heute nicht mehr – aber das Abgründige und Absurde bei diesem Spiel im Spiel im Spiel der drei Männer ist nach wie vor spürbar. [...]
Die drei Männer spielen an der Rampe, mit nur wenigen Requisiten. Kaum tuntig, sondern mit einem ausbalancierten Spiel aus Witz, Ironie und Grausamkeit. Zuerst treten Finzi und Koch in schwarz-weißem Diener-Outfit und Frauen-Perücke auf – und gerade als "reale" Zofen spielen sie am gekünstelten. Wenn sie ihre Perücken abnehmen, als Männer vor uns stehen, sich aber ins teure Geschmeide der Gnädigen Frau werfen, dann dringen sie immer weiter vor zu ihrem Hass, ihrer Eifersucht, ihrer Abhängigkeit voneinander. Das Spiel im Spiel führt also zu mehr Wahrheit als die Realität selbst. Und auch der komödiantische Auftritt von Bernd Stempel gerät nicht zu überzeichnet [...]. Er wirft ebenfalls sein Frauenkostüm von sich, steht in Glatze vor uns – und weil er so halbironisch mit den Zofen umgeht, als wüsste er von deren Mordplänen, kriegt das Ganze noch eine absurdere Drehung. Ein Schauspielerfest!
Am Deutschen Theater in Berlin hat es der bulgarische Regisseur Ivan Panteleev inszeniert, mit seinen Lieblingsschauspielern Wolfram Koch und Samuel Finzi als mörderische Schwestern.
Wenn Finzi und Koch zusammen auf der Bühne stehen, wie bei "Warten auf Godot", ebenfalls von Panteleev inszeniert, ist das beinahe ein Selbstläufer. Allerdings hat sich schon Jean Genet für die drei Rollen des Stücks, also die Zofen und die Gnädige Frau, die die Zofen umbringen wollen, eine rein männliche Besetzung gewünscht. [...]
Provokant ist das heute nicht mehr – aber das Abgründige und Absurde bei diesem Spiel im Spiel im Spiel der drei Männer ist nach wie vor spürbar. [...]
Die drei Männer spielen an der Rampe, mit nur wenigen Requisiten. Kaum tuntig, sondern mit einem ausbalancierten Spiel aus Witz, Ironie und Grausamkeit. Zuerst treten Finzi und Koch in schwarz-weißem Diener-Outfit und Frauen-Perücke auf – und gerade als "reale" Zofen spielen sie am gekünstelten. Wenn sie ihre Perücken abnehmen, als Männer vor uns stehen, sich aber ins teure Geschmeide der Gnädigen Frau werfen, dann dringen sie immer weiter vor zu ihrem Hass, ihrer Eifersucht, ihrer Abhängigkeit voneinander. Das Spiel im Spiel führt also zu mehr Wahrheit als die Realität selbst. Und auch der komödiantische Auftritt von Bernd Stempel gerät nicht zu überzeichnet [...]. Er wirft ebenfalls sein Frauenkostüm von sich, steht in Glatze vor uns – und weil er so halbironisch mit den Zofen umgeht, als wüsste er von deren Mordplänen, kriegt das Ganze noch eine absurdere Drehung. Ein Schauspielerfest!
Nach einer Weile tritt Bernd Stempel als Hausherrin auf. Welch ein kostbarer Anblick! Er ist weiblich geschminkt, trägt eine schicke Nerd-Brille und ein weißes Jungfernkleid. Später hängt er sich einen beigen Trenchcoat mit Pelzbesatz über. Die Schwestern haben nur noch eins im Sinn: Die Verabreichung eines vergifteten Lindenblütentees. Doch die eigensinnige, feudalistisch geprägte Chefin will nicht davon kosten. Gerade rechtzeitig erreicht sie ein Anruf, dass ihr Gatte aus dem Knast entlassen wird – sie geht ab, um abzuholen. Nun bleibt den beiden Aktricen nicht anderes mehr, als weiterhin Macht und Ohnmacht, Herrschaft und Unterwerfung mit humoristischer Selbstvergiftung zu spielen. Die von Männern gespielten Schwestern beginnen ein feuriges Spiel: Finzis Claire ist der Boss und Solange die Zofin. Dabei werden etliche Clownerien eingebaut.
Nach einer Weile tritt Bernd Stempel als Hausherrin auf. Welch ein kostbarer Anblick! Er ist weiblich geschminkt, trägt eine schicke Nerd-Brille und ein weißes Jungfernkleid. Später hängt er sich einen beigen Trenchcoat mit Pelzbesatz über. Die Schwestern haben nur noch eins im Sinn: Die Verabreichung eines vergifteten Lindenblütentees. Doch die eigensinnige, feudalistisch geprägte Chefin will nicht davon kosten. Gerade rechtzeitig erreicht sie ein Anruf, dass ihr Gatte aus dem Knast entlassen wird – sie geht ab, um abzuholen. Nun bleibt den beiden Aktricen nicht anderes mehr, als weiterhin Macht und Ohnmacht, Herrschaft und Unterwerfung mit humoristischer Selbstvergiftung zu spielen.
Wenn Solange und Claire am Anfang auf die leere Bühne kommen, ein paar Requisiten wie einen Telefonapparat, eine Tasse mit Lindenblütentee, einen laut tickenden Wecker hereinbringen, tun sie das quasi mit Anlauf: Man sieht sie überraschend erst im Spiegel auftauchen und dann in natura. Dieses bewusst irritierend arrangierte Spiel über Bande ist die Matrix der Aufführung, die sich damit genau an das Stück hält.
Darin ist nämlich nichts, was es zu sein scheint: Die Frauen sind Männer, die Schwestern tauschen manchmal ihre Namen aus, die Herrin, deren allgemeine Arglosigkeit unglaubwürdig wirkt, bringt diese ohnedies ständig durcheinander, das Dominanzgebaren der Zofen ist Schwindel, ihr Aufruhr nicht mehr als Attitüde. Angesichts dieser vielen Brechungen finden sie nie zu ihrer eigenen Identität, höchstens zu einem Spiegelbild, doch das ist in Ivan Panteleevs kluger, beschwingter Inszenierung ebenfalls oft in Bewegung, denn die Spiegelwand dreht sich an einem irgendwo im Bühnenplafond verschwindenden schlanken Mast. [...]
Koch und Finzi machen daraus ein herrlich komisches Duell mit hämischen Untergriffen und zynischen Überhebungen. [...]
Jean Genets dämmrig-düsterer Text wird den beiden [...] zu einer lebendig strahlenden Knetmasse, aus der sie ihre rätselhaft verlorenen Figuren modellieren und luftig beseelt zwischen Herz und Schmer, zwischen Sein und Haben traumtänzeln lassen. [...]
Und ein Schiffbruch, weiß der fröhlich unverzagte Regisseur Ivan Panteleev mit seinem famosen Ensemble zu zeigen, ist gar nicht schlimm - solange er gespielt wird wie hier: großartig und eindringlich. Im Deutschen Theater Berlin hat der Regisseur Ivan Panteleev die drei Frauenrollen, wie es Genet usprünglich vorschwebte, mit männlichen Darstellern besetzt: Mit Wolfram Koch als Solange, die Ältere, mit Samuel Finzi als Claire, die Jüngere und mit Bernd Stempel als Gnädiger Frau. Es sind kräftige, unrasierte Männer mit strammen Waden in bunten Strumpfhosen, die zeitweise Frauenperücken und immer Frauenkleidung tragen. Entworfen hat diese Johannes Schütz und außerdem das Bühnenbild, eine lange nicht ganz bis zum Boden reichende Spiegelwand, auf deren Rückseite drei Kleider und drei Bügel hängen.
Wenn Solange und Claire am Anfang auf die leere Bühne kommen, ein paar Requisiten wie einen Telefonapparat, eine Tasse mit Lindenblütentee, einen laut tickenden Wecker hereinbringen, tun sie das quasi mit Anlauf: Man sieht sie überraschend erst im Spiegel auftauchen und dann in natura. Dieses bewusst irritierend arrangierte Spiel über Bande ist die Matrix der Aufführung, die sich damit genau an das Stück hält.
Darin ist nämlich nichts, was es zu sein scheint: Die Frauen sind Männer, die Schwestern tauschen manchmal ihre Namen aus, die Herrin, deren allgemeine Arglosigkeit unglaubwürdig wirkt, bringt diese ohnedies ständig durcheinander, das Dominanzgebaren der Zofen ist Schwindel, ihr Aufruhr nicht mehr als Attitüde. Angesichts dieser vielen Brechungen finden sie nie zu ihrer eigenen Identität, höchstens zu einem Spiegelbild, doch das ist in Ivan Panteleevs kluger, beschwingter Inszenierung ebenfalls oft in Bewegung, denn die Spiegelwand dreht sich an einem irgendwo im Bühnenplafond verschwindenden schlanken Mast. [...]
Koch und Finzi machen daraus ein herrlich komisches Duell mit hämischen Untergriffen und zynischen Überhebungen. [...]
Jean Genets dämmrig-düsterer Text wird den beiden [...] zu einer lebendig strahlenden Knetmasse, aus der sie ihre rätselhaft verlorenen Figuren modellieren und luftig beseelt zwischen Herz und Schmer, zwischen Sein und Haben traumtänzeln lassen. [...]
Und ein Schiffbruch, weiß der fröhlich unverzagte Regisseur Ivan Panteleev mit seinem famosen Ensemble zu zeigen, ist gar nicht schlimm - solange er gespielt wird wie hier: großartig und eindringlich.
Was soll man sagen - es ist ein großer Spaß, wie sie formvollendet auf ihren Highheels trippeln, sich gelegentlich kurz anzicken, Genderklischees fröhlich ausschlachten, ihre Perücken und die Strumpfhosen auf strammen Männerschenkeln nicht ohne Eleganz vorführen. Dabei nehmen sie den leicht prätentiösen Text dennoch ernst und kosten ihn genussvoll aus, als wären wir bei Genets Zeitgenossen Beckett und in dessen "Warten auf Godot", das sie vor drei Jahren gespielt haben. [...]
Als dann die gnädige Frau in Form des gutgelaunten Bernd Stempel auftritt, ist nicht nur das Dreimäderl-Haus komplett; auch in der Klassengesellschaft herrscht wieder Ordnung, wenn auch nicht unbedingt Zucht.
Auf der ansonsten leeren Bühne hat Bühnenbildner Johannes Schütz eine halbhohe Spiegelwand aufgestellt, sie kann sich um eine in der Mitte des Raumes stehende Stange drehen und die drei Luxusgeschöpfe einfach wegwischen - offenkundig ein verfremdetes Zitat der berühmten beweglichen, gelben Wand, die Mark Lammert für Gottscheffs "Perser"-Inszenierung (ebenfalls mit dem Duo Finzi & Koch) am selben Tatort erfunden hat. Um das Spiel mit der Travestie noch eine Umdrehung weiter zu treiben, wünscht sich Genet als Besetzung männliche Schauspieler: Männer spielen Dienstmädchen, die ihre Herrin spielen. Vor sieben Jahrzehnten ging das als Theaterschock und hübscher Anschlag auf die guten Sitten durch. Heute ist es eine Farce, und genau so spielen die beiden bewährten Hochtour-Komödianten Wolfram Koch und Samuel Finzi in der von Ivan Panteleev angerichteten Inszenierung am Deutschen Theater das dann auch.
Was soll man sagen - es ist ein großer Spaß, wie sie formvollendet auf ihren Highheels trippeln, sich gelegentlich kurz anzicken, Genderklischees fröhlich ausschlachten, ihre Perücken und die Strumpfhosen auf strammen Männerschenkeln nicht ohne Eleganz vorführen. Dabei nehmen sie den leicht prätentiösen Text dennoch ernst und kosten ihn genussvoll aus, als wären wir bei Genets Zeitgenossen Beckett und in dessen "Warten auf Godot", das sie vor drei Jahren gespielt haben. [...]
Als dann die gnädige Frau in Form des gutgelaunten Bernd Stempel auftritt, ist nicht nur das Dreimäderl-Haus komplett; auch in der Klassengesellschaft herrscht wieder Ordnung, wenn auch nicht unbedingt Zucht.
Auf der ansonsten leeren Bühne hat Bühnenbildner Johannes Schütz eine halbhohe Spiegelwand aufgestellt, sie kann sich um eine in der Mitte des Raumes stehende Stange drehen und die drei Luxusgeschöpfe einfach wegwischen - offenkundig ein verfremdetes Zitat der berühmten beweglichen, gelben Wand, die Mark Lammert für Gottscheffs "Perser"-Inszenierung (ebenfalls mit dem Duo Finzi & Koch) am selben Tatort erfunden hat.
Nicht nur verwechselt die Gnädige Frau (Bernd Stempel) beständig Claire und Solange, auch die beiden Zofen tauschen in ihrem Spìel fließend die Rollen. Die ldentität ist flLichtig, zumal Panteleev die Frauenfiguren, wie von Genet selbst favorisiert, durchweg mit lVlännern besetzt hat. Diese stecken zwar tn Frauenkleidern, kippen jedoch virtuos - zumeist ohne Langhaarperücken spielend, Bernd Stempel sogar mit Glatze zwischen männlich, weiblich und etlichen Zwischenbereichen hin und her. Claire und Solange wohnt dabei eine gefährliche Disposition inne: lhr Spiegelbild ist leer, beziehungsweise sehen sie im Spiegel bloß ein durch die gesellschaftliche Stellung geformtes lch. Der Bühnenbildner Johannes Schütz hat auf der ansonsten leeren Bühne horizontal einen riesigen länglichen Spiegel platziert, der, aufgehängt an einer langen Stange, drehbar ist. Aus dem Zuschauerraum heraus sieht man Claire und Solange daher zweimal auftreten: zunächst im Spiegel, dann real. Diese Dopplung der Figuren ist zentral für Panteleevs Lesart der "Zofen" [...]
Nicht nur verwechselt die Gnädige Frau (Bernd Stempel) beständig Claire und Solange, auch die beiden Zofen tauschen in ihrem Spìel fließend die Rollen. Die ldentität ist flLichtig, zumal Panteleev die Frauenfiguren, wie von Genet selbst favorisiert, durchweg mit lVlännern besetzt hat. Diese stecken zwar tn Frauenkleidern, kippen jedoch virtuos - zumeist ohne Langhaarperücken spielend, Bernd Stempel sogar mit Glatze zwischen männlich, weiblich und etlichen Zwischenbereichen hin und her. Claire und Solange wohnt dabei eine gefährliche Disposition inne: lhr Spiegelbild ist leer, beziehungsweise sehen sie im Spiegel bloß ein durch die gesellschaftliche Stellung geformtes lch.
Der Spiegel soïgr dafür, dass wir Damenhüftschwung und das mädchenhafte Zurückwerfen der Haare auch noch in Rückenansicht genießen können. Nach dem kurzen Zickenkrieg um die Ausstathrng im karikierten Weibergestus nehmen beide die perücken ab. Jetzt sind sie Männer im Rock, das Genderthema isr hier kein Thema. Im geschlechterübergreifenden Spiel kann jeder alles sein, Männer Frauen, - Solange Claire, Claire Solange, vor allem aber die Gnädige Frau, das Objekt des (Klassen-)Hasses, das jederzeit ins Ankleidezimmer zurückkommen kann. [...]
Stempel, weiß perückt im blauen Kleid unterm nerzgefütterten Mantel, mimt grandios im Modus selbstgerechter Bürgerlichkeit die herablassende Leurseligkeit der gütigen Arbeitgeberin. Die Spiegelschrankurand, die Rückseite der Bühne in voller Breite ausftillt, glitzert freundlich und spiegelt das rot-samtene Parkett voller gnädiger Frauen und Männer, die dort in Vorfreude auf das Lieblingsmännerpaar des Deutschen Theaters, Samuel Finzi und Wolfram Koch versammelt sind. Denn Panteleev hat sich ganz an Genets selten befolgten Wunsch gehalten, die Zofen bitte mit Männern zu besetzen. [...]
Der Spiegel soïgr dafür, dass wir Damenhüftschwung und das mädchenhafte Zurückwerfen der Haare auch noch in Rückenansicht genießen können. Nach dem kurzen Zickenkrieg um die Ausstathrng im karikierten Weibergestus nehmen beide die perücken ab. Jetzt sind sie Männer im Rock, das Genderthema isr hier kein Thema. Im geschlechterübergreifenden Spiel kann jeder alles sein, Männer Frauen, - Solange Claire, Claire Solange, vor allem aber die Gnädige Frau, das Objekt des (Klassen-)Hasses, das jederzeit ins Ankleidezimmer zurückkommen kann. [...]
Stempel, weiß perückt im blauen Kleid unterm nerzgefütterten Mantel, mimt grandios im Modus selbstgerechter Bürgerlichkeit die herablassende Leurseligkeit der gütigen Arbeitgeberin.