
Zeiten des Aufruhrs
nach dem Roman von Richard Yates
Deutsche Übersetzung von Hans Wolf
in einer Fassung von Jette Steckel und Anika Steinhoff
"Keiner denkt oder fühlt oder interessiert sich mehr für irgendwas; keiner begeistert sich mehr oder glaubt noch an irgendwas außer an seine eigene gottverdammte bequeme Mittelmäßigkeit."
Amerika, 1955. April und Frank Wheeler sind mit ihren zwei Kindern in eine idyllische Vorstadtsiedlung gezogen. Rein äußerlich unterscheidet sich ihr Leben kaum von dem konventionellen, in Gewohnheit erstarrten und nur von gelegentlichen Zerstreuungen erhellten Alltag ihrer Nachbarn – sie haben sich bis zur Ununterscheidbarkeit ihrem gesellschaftlichen Umfeld angepasst. Doch von ihnen geht in den Augen der Anderen Glamour und Zauber aus, sie sind – und so empfinden sie selbst es auch – etwas Besonderes. Die Wheelers wollen sich nicht abfinden mit dem Dahinschwinden der Jugend, sie wollen die verheißungsvollen Möglichkeiten, die das Leben bietet, nicht verpassen. Als April als Theaterschauspielerin scheitert und die Ehe der Wheelers merklich zu kriseln beginnt, ersinnt sie einen romantischen Ausweg – ein Umzug nach Paris soll die langersehnte Freiheit bringen und vor allem Frank die Chance geben, "sich selbst zu finden". Kurzzeitig belebt dieser Plan ihr Zusammenleben, doch Frank hat zunehmend Angst vor der Veränderung, hat begonnen, sich in seinem Job und mit einer Affäre einzurichten. Die Auseinandersetzungen nehmen zu, brüchige Versöhnungen folgen auf ungewollte Selbstentblößungen und Vorwürfe, bis das Ehepaar die Umzugspläne fallen lässt. Mit dieser Entscheidung verlieren die Wheelers immer rascher und schließlich tragisch im Verlauf eines Sommers jeglichen Halt.
Richard Yates' glanzvoller Roman aus dem Jahr 1961 zeigt in lässigen Momentaufnahmen und doch mit tiefem Ernst gegenüber den Menschen, wie das Erfüllen von gesellschaftlichen Konventionen unsere Sensibilität gegenüber unseren eigenen, tiefen Lebensimpulsen abstumpfen lässt und wie sich in Zeiten des Friedens der Krieg in die zwischenmenschlichen Beziehungen verlagert und einen Lebenstraum vergiftet.
Wir danken der Regisseurin Angela Schanelec für die freundliche Genehmigung, einen Ausschnitt aus ihrem Film Orly (2010) in der Inszenierung zu zeigen.
in einer Fassung von Jette Steckel und Anika Steinhoff
"Keiner denkt oder fühlt oder interessiert sich mehr für irgendwas; keiner begeistert sich mehr oder glaubt noch an irgendwas außer an seine eigene gottverdammte bequeme Mittelmäßigkeit."
Amerika, 1955. April und Frank Wheeler sind mit ihren zwei Kindern in eine idyllische Vorstadtsiedlung gezogen. Rein äußerlich unterscheidet sich ihr Leben kaum von dem konventionellen, in Gewohnheit erstarrten und nur von gelegentlichen Zerstreuungen erhellten Alltag ihrer Nachbarn – sie haben sich bis zur Ununterscheidbarkeit ihrem gesellschaftlichen Umfeld angepasst. Doch von ihnen geht in den Augen der Anderen Glamour und Zauber aus, sie sind – und so empfinden sie selbst es auch – etwas Besonderes. Die Wheelers wollen sich nicht abfinden mit dem Dahinschwinden der Jugend, sie wollen die verheißungsvollen Möglichkeiten, die das Leben bietet, nicht verpassen. Als April als Theaterschauspielerin scheitert und die Ehe der Wheelers merklich zu kriseln beginnt, ersinnt sie einen romantischen Ausweg – ein Umzug nach Paris soll die langersehnte Freiheit bringen und vor allem Frank die Chance geben, "sich selbst zu finden". Kurzzeitig belebt dieser Plan ihr Zusammenleben, doch Frank hat zunehmend Angst vor der Veränderung, hat begonnen, sich in seinem Job und mit einer Affäre einzurichten. Die Auseinandersetzungen nehmen zu, brüchige Versöhnungen folgen auf ungewollte Selbstentblößungen und Vorwürfe, bis das Ehepaar die Umzugspläne fallen lässt. Mit dieser Entscheidung verlieren die Wheelers immer rascher und schließlich tragisch im Verlauf eines Sommers jeglichen Halt.
Richard Yates' glanzvoller Roman aus dem Jahr 1961 zeigt in lässigen Momentaufnahmen und doch mit tiefem Ernst gegenüber den Menschen, wie das Erfüllen von gesellschaftlichen Konventionen unsere Sensibilität gegenüber unseren eigenen, tiefen Lebensimpulsen abstumpfen lässt und wie sich in Zeiten des Friedens der Krieg in die zwischenmenschlichen Beziehungen verlagert und einen Lebenstraum vergiftet.
Wir danken der Regisseurin Angela Schanelec für die freundliche Genehmigung, einen Ausschnitt aus ihrem Film Orly (2010) in der Inszenierung zu zeigen.
Regie Jette Steckel
Bühne Florian Lösche
Kostüme Pauline Hüners
Musik und Komposition Olaf Casimir, Christian von der Goltz, Bill Petry
Choreographie Yan Revazov
Licht Matthias Vogel
Dramaturgie Anika Steinhoff
Premiere
28. Februar 2019, Deutsches Theater
28. Februar 2019, Deutsches Theater
Maren EggertApril Wheeler

Alexander KhuonFrank Wheeler

Kathleen MorgeneyerMilly Campbell

Christoph FrankenShep Campbell

Judith HofmannHelen Givings

Helmut MooshammerHoward Givings / Bart Pollock

Ole LagerpuschJohn Givings

Maike KnirschMaureen Grube

Caner SunarRegisseur / Jack Ordway

Olaf Casimir (Bass), Bill Petry (Trompete), Christian von der Goltz (Piano)Band
Jelena Alempijevic, Rebekka Böhme, Aaron Carey-Burrows, Melissa Ferrari, Samantha Franchini, Beatrice Gantzhorn, Ina Gercke, Anna Graue, Laurenz Knill, Sarah Lauks, Gerardo Mussuto, Erica Passante, Nina Philipp, Ortrun StanzelTänzer_innen
Timon Fink, Fritz MüllerKinder der Wheelers
April Wheeler
Frank Wheeler
Milly Campbell
Shep Campbell
Helen Givings
Howard Givings / Bart Pollock
John Givings
Maureen Grube
Regisseur / Jack Ordway
Olaf Casimir (Bass), Bill Petry (Trompete), Christian von der Goltz (Piano)
Band
Jelena Alempijevic, Rebekka Böhme, Aaron Carey-Burrows, Melissa Ferrari, Samantha Franchini, Beatrice Gantzhorn, Ina Gercke, Anna Graue, Laurenz Knill, Sarah Lauks, Gerardo Mussuto, Erica Passante, Nina Philipp, Ortrun Stanzel
Tänzer_innen
Timon Fink, Fritz Müller
Kinder der Wheelers
Maren Eggert und Alexander Khuon verkörpern dieses Paar auf wunderbar konträre Weise. Eggerts April ist kein zerbrechliches Wesen, sondem eine stolze, zupackende Frau, die im Holzfällerhemd den Rasenmähertraktor über die Bühne steuert, während Khuons Frank mit einer Kiste Pflanzensetzlingen wie ein gut aussehender, aber völlig planloser Nichtsnutz in der Gegend herumsteht. [...]
Überhaupt spielt Khuon diesen Frank als doppelgesichtigen Charakter, der in einem Moment Schwiegermutters Liebling ist und im nächsten zum manipulativen Choleriker wird, der seine Frau zusammenbrüllt und ihr, als sie ihm davon berichtet, dass sie abtreiben will, sogar die geistige Gesundheit abspricht. [...]
Steckel stellt den Niedergang dieser Ehe wirklichkeitsgetreu dar. Inmitten von Cheeseburger- und Eiersalatartys –selbstverständlich von April hergerichtet –und jeder Menge Whiskey und "Sex OnThe Beach"-Cocktails mit Schirmchen folgt ein Schlagabtausch nach dem nächsten, so unerbittlich und vernichtend, wie man ihn von langjährigen Beziehungen kennt. [...]
Helmut Mooshammer ist als altväterliche Ratschläge erteilender Chef im Nadelstreifenanzug die perfekte Karikatur eines Businessman. Eine sinnvolle Setzung, die einen die Ereignisse aus Aprils und Franks subjektiver Perspektive erleben lässt.
Auch das von Florian Lösche entworfene Bühnenbild ist alles andere als naturalistisch. Es besteht aus gigantischen Leuchtbuchstaben, die das Setting abwechselnd in bonbonbuntes, eisblaues oder blutrotes Licht tauchen. Im Hintergrund agierende Tänzer stellen diese Buchstaben zu immer neuen Worten auf. Mal zu einem sich im Kreis drehenden "Home Sweet Home", dann zu einem statischen "Show". Dieser abstrakten Kulisse ist es auch zu verdanken, dass die von Klavier, Bass und Trompete untermalte Inszenierung nicht in Hollywoodkitsch abrutscht, sondern zu einer mitreißenden Sozialkritik geworden ist. Steckel, die gerne Romanadaptionen inszeniert, hat das Potenzial dieses Stoffs erkannt, der mit seinem eindrücklich geschilderten Geschlechterkampf und der Rebellion einer Frau gegen die Selbstaufgabe fast eins zu eins in die Gegenwart übertragen werden kann. [...]
Maren Eggert und Alexander Khuon verkörpern dieses Paar auf wunderbar konträre Weise. Eggerts April ist kein zerbrechliches Wesen, sondem eine stolze, zupackende Frau, die im Holzfällerhemd den Rasenmähertraktor über die Bühne steuert, während Khuons Frank mit einer Kiste Pflanzensetzlingen wie ein gut aussehender, aber völlig planloser Nichtsnutz in der Gegend herumsteht. [...]
Überhaupt spielt Khuon diesen Frank als doppelgesichtigen Charakter, der in einem Moment Schwiegermutters Liebling ist und im nächsten zum manipulativen Choleriker wird, der seine Frau zusammenbrüllt und ihr, als sie ihm davon berichtet, dass sie abtreiben will, sogar die geistige Gesundheit abspricht. [...]
Steckel stellt den Niedergang dieser Ehe wirklichkeitsgetreu dar. Inmitten von Cheeseburger- und Eiersalatartys –selbstverständlich von April hergerichtet –und jeder Menge Whiskey und "Sex OnThe Beach"-Cocktails mit Schirmchen folgt ein Schlagabtausch nach dem nächsten, so unerbittlich und vernichtend, wie man ihn von langjährigen Beziehungen kennt. [...]
Helmut Mooshammer ist als altväterliche Ratschläge erteilender Chef im Nadelstreifenanzug die perfekte Karikatur eines Businessman. Eine sinnvolle Setzung, die einen die Ereignisse aus Aprils und Franks subjektiver Perspektive erleben lässt.
Auch das von Florian Lösche entworfene Bühnenbild ist alles andere als naturalistisch. Es besteht aus gigantischen Leuchtbuchstaben, die das Setting abwechselnd in bonbonbuntes, eisblaues oder blutrotes Licht tauchen. Im Hintergrund agierende Tänzer stellen diese Buchstaben zu immer neuen Worten auf. Mal zu einem sich im Kreis drehenden "Home Sweet Home", dann zu einem statischen "Show". Dieser abstrakten Kulisse ist es auch zu verdanken, dass die von Klavier, Bass und Trompete untermalte Inszenierung nicht in Hollywoodkitsch abrutscht, sondern zu einer mitreißenden Sozialkritik geworden ist.
In der Bühnenmitte sitzt ein Jazz-Trio, das dem Abend seine nostalgisch-melancholische Whiskey-Atmosphäre verleiht. Das berührendste Lied aber gehört Maren Eggert. [...]
So manches hat sich seit 1955 verändert, doch das Rollenbild der Frau zwischen Karriere, Selbstverwirklichung und Mutter ist nach wie vor spannungsreich. Steckel belässt den Roman deshalb in seiner Zeit und schaltet von Tragödie auf Komödie, sobald es um das konformistische Gesellschaftspanorama geht, um die tratschsüchtigen Nachbarn, die oberflächlich flötende Maklerin. [...]
Und doch ist der Abend mit seinem feinsinnigen Schauspielduo in den Hauptrollen oft beklemmend. Nicht zuletzt, wenn April nach dem "schönen Frühstück", das sie Frank bereitet hat, das Blut zwischen den Beinen herabrinnt. Maren Eggert und Alexander Khuon sind das Zentrum dieses psychologischen Spiels über den Selbstbetrug eines Paares, das sich für etwas Besonderes hält: nicht geschaffen für das stromlinienförmige Vorstadtleben mit Kindern und Cocktailpartys. Eggert gibt ihre April unnahbar, schroff, innerlich verzweifelt – nichts Mädchenhaftes liegt in ihr. Khuons Frank probiert sich mit vielen klugen Worten in einer Bodenständigkeit, die seine Furcht vor dem Unbeherrschbaren überdecken soll. [...]
In der Bühnenmitte sitzt ein Jazz-Trio, das dem Abend seine nostalgisch-melancholische Whiskey-Atmosphäre verleiht. Das berührendste Lied aber gehört Maren Eggert. [...]
So manches hat sich seit 1955 verändert, doch das Rollenbild der Frau zwischen Karriere, Selbstverwirklichung und Mutter ist nach wie vor spannungsreich. Steckel belässt den Roman deshalb in seiner Zeit und schaltet von Tragödie auf Komödie, sobald es um das konformistische Gesellschaftspanorama geht, um die tratschsüchtigen Nachbarn, die oberflächlich flötende Maklerin. [...]
Und doch ist der Abend mit seinem feinsinnigen Schauspielduo in den Hauptrollen oft beklemmend. Nicht zuletzt, wenn April nach dem "schönen Frühstück", das sie Frank bereitet hat, das Blut zwischen den Beinen herabrinnt.
Die Schlussworte gehören dann John (Ole Lagerpusch), der – anders als im Roman – in die Gedanken von Frank hineinschlüpft und dessen Empfindungen ausspricht. Ein schön-verwirrender Kunstgriff von Jette Steckel: Fantasie und Realität werden eins, das Verrückte wird zur Normalität. Während sich der Vorhang senkt, singt John (auch das eine Erfindung von Jette Steckel) einen Song über die Revolutionary Road und die vergebliche Suche nach Wahrheit. Maren Eggert und Alexander Khuon sind keine Doubles von Kate Winslet und Leonardo DiCaprio sein. Sie machen ihr eigenes Ding, schwitzen und tanzen, streiten, lieben hassen, sind keine glamourösen und smarten, sondern hart arbeitende Theater-Berserker [...].
Die Schlussworte gehören dann John (Ole Lagerpusch), der – anders als im Roman – in die Gedanken von Frank hineinschlüpft und dessen Empfindungen ausspricht. Ein schön-verwirrender Kunstgriff von Jette Steckel: Fantasie und Realität werden eins, das Verrückte wird zur Normalität. Während sich der Vorhang senkt, singt John (auch das eine Erfindung von Jette Steckel) einen Song über die Revolutionary Road und die vergebliche Suche nach Wahrheit.
Stark und berührend ist Jette Steckels Inszenierung immer dann, wenn sie Abstand zum Beziehungsnahkampf sucht. Dann sieht man April und Frank mit den nervigen Gute-Laune-Nachbarn (Kathleen Morgeneyer und Christoph Franken) auf einer vernebelten Tanzfläche mit langhaarigen Geistererscheinungen tanzen. Man staunt über den Schauspieler Ole Lagerpusch in der Rolle des angeblich psychisch kranken, mit Weisheit begabten Nachbarsohns John, der wie ein Heiliger auftritt. Oder man hört und schaut einem lässigen Musikertrio dabei zu, wie sie mit Trompete, Klavier und Bass vorzüglichen Barjazz spielen, während die Vorstadtbewohner an einer Kellertheke Cocktails schlürfen. Natürlich hat Steckel mit ihrer Botschaft Recht: Die Bewohner der spätkapitalistischen Welt mögen sich noch so viel darauf zugutehalten, dass Frauen seit Mitte der Fünfzigerjahre freier über ihr Leben und ihren Leib bestimmen können, von einer revolutionären Neuordnung der gesellschaftlichen Grundstrukturen kann keine Rede sein. [...]
Stark und berührend ist Jette Steckels Inszenierung immer dann, wenn sie Abstand zum Beziehungsnahkampf sucht. Dann sieht man April und Frank mit den nervigen Gute-Laune-Nachbarn (Kathleen Morgeneyer und Christoph Franken) auf einer vernebelten Tanzfläche mit langhaarigen Geistererscheinungen tanzen. Man staunt über den Schauspieler Ole Lagerpusch in der Rolle des angeblich psychisch kranken, mit Weisheit begabten Nachbarsohns John, der wie ein Heiliger auftritt. Oder man hört und schaut einem lässigen Musikertrio dabei zu, wie sie mit Trompete, Klavier und Bass vorzüglichen Barjazz spielen, während die Vorstadtbewohner an einer Kellertheke Cocktails schlürfen.
[...] Jette Steckel verzichtet auf deutliche Aktualisierung, aber sie verschiebt die Perspektive. Der Roman ist vorwiegend aus der Sicht von Frank erzählt, Steckel macht April zur relevanteren Figur dieser Story die damit stärker auch zu einer Geschichte über Geschlechterrollen und gescheiterte Emanzipation wird. [...] Außerdem platzieren etwa Kathleen Morgeneyer und Christoph Franken in der Rolle der Campbells von nebenan ein paar sehr schöne Spießigkeitsminiaturen, ebenso wie Judith Hofmann und Helmut Mooshammer als Ehepaar Givings. Einen glanzvollen Auftritt legt Ole Lagerpusch hin als psychisch kranker Givings-Sohn John, der mit raunend-schräger Klarsichtigkeit die Brüchigkeit der wheelerschen Selbsverwirklichungsambitionen durchschaut. Es ist ein visuell überzeugendes und vom Bühnenbildner Florian Lösche elegant umgesetztes Setting in dem Regisseurin Jette Steckel am Deutschen Theater die Verzweiflung eines Paares an ihrer Mittelmäßigkeit durchbuchstabiert. [...] Jette Steckel hat ein Starensemble am Start. Neben Alexander Khuon als Frank und Maren Eggert als April ist die Inszenierung in allen Rollen hochkarätig besetzt.
[...] Jette Steckel verzichtet auf deutliche Aktualisierung, aber sie verschiebt die Perspektive. Der Roman ist vorwiegend aus der Sicht von Frank erzählt, Steckel macht April zur relevanteren Figur dieser Story die damit stärker auch zu einer Geschichte über Geschlechterrollen und gescheiterte Emanzipation wird. [...] Außerdem platzieren etwa Kathleen Morgeneyer und Christoph Franken in der Rolle der Campbells von nebenan ein paar sehr schöne Spießigkeitsminiaturen, ebenso wie Judith Hofmann und Helmut Mooshammer als Ehepaar Givings. Einen glanzvollen Auftritt legt Ole Lagerpusch hin als psychisch kranker Givings-Sohn John, der mit raunend-schräger Klarsichtigkeit die Brüchigkeit der wheelerschen Selbsverwirklichungsambitionen durchschaut.
Ole Lagerpusch hat als vermeintlich geisteskranker, de facto aber einzig wahr sprechender Vollbart-Träger der Vorstadt-Ödnis mindestens den Auftritt seines bisherigen DT-Lebens, wenn nicht mehr: Die Konzentration, Genauigkeit und Ruhe, die durch schmerzhafte Eruptionsenergie-Unterdrückung so sichtlich hart erkauft ist und mit der er den Wheelers auf den Kopf zusagt, was mit ihnen los ist [...]. Bühnenbildner Florian Lösche hat das Szenario mit lauter überdimensionalen, beweglichen Lettern gefüllt, die manchmal einfach als Raumteiler fungieren, gern aber auch zu Signal-Vokabular à la "Show" oder den englischen Personalpronomen "she", "he" und "me" angeordnet werden: sie, er und ich. Das sieht so stylish aus wie in "Schöner wohnen" und illustriert perfekt die gähnende Leere, von der bei Yates immer wieder die Rede ist.
Ole Lagerpusch hat als vermeintlich geisteskranker, de facto aber einzig wahr sprechender Vollbart-Träger der Vorstadt-Ödnis mindestens den Auftritt seines bisherigen DT-Lebens, wenn nicht mehr: Die Konzentration, Genauigkeit und Ruhe, die durch schmerzhafte Eruptionsenergie-Unterdrückung so sichtlich hart erkauft ist und mit der er den Wheelers auf den Kopf zusagt, was mit ihnen los ist [...].
Die Selbstverwirklichung wird zum Zwang, Paarbeziehungen und Familienbindungen, ganz zu schweigen von Verhältnissen in Beruf und Karriere, verlieren die Fesseln der sittlichen Verbindlichkeit. [...]
In Steckels Inszenierung gibt es einen leeren Raum mit ein paar Leuchtbuchstaben, die als Designermöbel fungieren und schicke Null-Botschaften versenden. [...]
In einem dramaturgischen Geniestreich koppelt Steckel die Wheeler'sche Ehekatastrophe als jenes Laientheaterstück zurück: Ein gespenstisch idyllisches Frühstück, das dieser Katastrophe vorausgeht, führen die Schauspieler am Beginn des Abends als Laien auf und am Ende "erleben" sie das Frühstück wie ein déjà vu als handelnde Figuren. Die Eheszenen im Hause Wheeler nehmen eine organische Entwicklung bis zum Überschlag ins Irrationale und Irreparable. [...]
Die Selbstverwirklichung wird zum Zwang, Paarbeziehungen und Familienbindungen, ganz zu schweigen von Verhältnissen in Beruf und Karriere, verlieren die Fesseln der sittlichen Verbindlichkeit. [...]
In Steckels Inszenierung gibt es einen leeren Raum mit ein paar Leuchtbuchstaben, die als Designermöbel fungieren und schicke Null-Botschaften versenden. [...]
In einem dramaturgischen Geniestreich koppelt Steckel die Wheeler'sche Ehekatastrophe als jenes Laientheaterstück zurück: Ein gespenstisch idyllisches Frühstück, das dieser Katastrophe vorausgeht, führen die Schauspieler am Beginn des Abends als Laien auf und am Ende "erleben" sie das Frühstück wie ein déjà vu als handelnde Figuren.