
WUT
von Elfriede Jelinek
"Ihr tötet uns, wir töten euch, das ist wirklich eine sehr einfache Antwort."
Anlässlich des Überfalls auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt für koschere Lebensmittel im Januar 2015 in Paris fragt die Autorin nach dem Grund für eine solch zerstörerische Wut. In einer Welt, in der die Wut alles zu beherrschen scheint, der Dialog zwischen den Menschen aufhört, stellt der Text, angetrieben von Verzweiflung, Ohnmacht, Wut und Angst die Frage: "Wenn aber die ganze Gemeinschaft das Töten für sich entdeckt hat, auch die Frauen, was entsteht dann?"
Jelinek ermittelt mittels griechischer Mythen, wie dem des rasenden Herakles, bezieht sich auf die Ilias, deren zentrales Thema der Zorn war, lässt aber auch die Stimmen von Dschihadisten, aufgeklärten Europäern, Wutbürgern und sich selbst als Autorin beim Schreiben zu Wort kommen. Die Ebenen mischen sich zu einem Wut-Gewitter über Götter, Gewissheiten in Weltanschauungen, Kalaschnikows und über das Verfertigen und Konsumieren von Bildern und Videos der Kämpfe in unserer düsteren Welt.
Wann begann alles? Welcher ist der richtige Gott? Brauchen wir überhaupt einen?
Anlässlich des Überfalls auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt für koschere Lebensmittel im Januar 2015 in Paris fragt die Autorin nach dem Grund für eine solch zerstörerische Wut. In einer Welt, in der die Wut alles zu beherrschen scheint, der Dialog zwischen den Menschen aufhört, stellt der Text, angetrieben von Verzweiflung, Ohnmacht, Wut und Angst die Frage: "Wenn aber die ganze Gemeinschaft das Töten für sich entdeckt hat, auch die Frauen, was entsteht dann?"
Jelinek ermittelt mittels griechischer Mythen, wie dem des rasenden Herakles, bezieht sich auf die Ilias, deren zentrales Thema der Zorn war, lässt aber auch die Stimmen von Dschihadisten, aufgeklärten Europäern, Wutbürgern und sich selbst als Autorin beim Schreiben zu Wort kommen. Die Ebenen mischen sich zu einem Wut-Gewitter über Götter, Gewissheiten in Weltanschauungen, Kalaschnikows und über das Verfertigen und Konsumieren von Bildern und Videos der Kämpfe in unserer düsteren Welt.
Wann begann alles? Welcher ist der richtige Gott? Brauchen wir überhaupt einen?
Regie Martin Laberenz
Bühne Volker Hintermeier
Kostüme Aino Laberenz
Musik Bernhardt.
Video Daniel Hengst
Licht Marco Scherle
Ton Björn Mauder
Dramaturgie Juliane Koepp
Premiere am 26. Februar 2017, Kammerspiele
Andreas Döhler

Sebastian Grünewald

Linn Reusse

Anja Schneider

Sabine Waibel

Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
[...] Laberenz [lässt] den Abend und den Text nie zerfallen. Er und seine großartigen Spieler wollen es wissen. [...] Der Zuschauer bekommt Hochleistungssport und Virtuosität geboten – mit elefantischer Ausdauer, unverhohlener Denklust und Spielwut beißen sich die fünf Bühnenterrier an den Widersprüchen fest. Es braucht nur sehr wenige Worte, und schon steht man sich unversöhnlich gegenüber. [...]
[...] Laberenz [lässt] den Abend und den Text nie zerfallen. Er und seine großartigen Spieler wollen es wissen. [...]
Regisseur Martin Laberenz mischt Jelineks Wutkosmos gehörig auf. Er zelebriert keine intellektuelle Versuchsanordnung, sondern lässt tatsächlich durchspielen, was die österreichische Literaturnobelpreisträgerin reflektiert. So macht er das Textgebirge erlebbar. Gleichzeitig treten die Darsteller immer wieder aus ihren Rollen heraus und hinterfragen den Übereifer, mit dem sie Gott und Glauben auf den Grund gehen, die vaterlose Gesellschaft ohne Haus und Hüter anprangern. Die schablonenhafte Aufteilung in Männersaat und Frauensaat wird hinterfragt wie die Positionierung der heutigen Attentäter als Stellvertreter mythologischer Machthalter. Durch die von zwei Pults aus live eingespielte elektronische Musik nimmt die Auseinandersetzung zusätzlich Fahrt auf.
Gegen das kollektiv vereinnahmende ''Wir'' tritt immer wieder der Einzelne heraus. Als bemerkenswerte berlinernde Rampensau erweist sich dabei Andreas Döhler. Ihm ist der Text regelrecht in die Glieder gefahren und er macht daraus großes Entertainment. Dem rechten Spuk der Wutbürger und den Terrorattacken wird so eine wohltuend komische Note abgerungen. Auch die anderen vier Ensemblemitglieder werfen sich mächtig ins Zeug beim Abschreiten dieser Via Dolorosa, die in einer Kreuzigungsszene auf einem ausgebombten Auto gipfelt. Das SOS des Schlusschors verspricht hier aber doch auch ein bisschen Hoffnung. Eine sehenswerte Lesart des viel gespielten Epos. In zweieinhalb pausenlosen und doch kurzweiligen Stunden gibt das dynamische Ensemble Wut, Hass, Terror – und der Hilflosigkeit im Umgang damit – so viele Gesichter, wie sie die Textfläche von Elfriede Jelinek durchziehen. [...]
Regisseur Martin Laberenz mischt Jelineks Wutkosmos gehörig auf. Er zelebriert keine intellektuelle Versuchsanordnung, sondern lässt tatsächlich durchspielen, was die österreichische Literaturnobelpreisträgerin reflektiert. So macht er das Textgebirge erlebbar. Gleichzeitig treten die Darsteller immer wieder aus ihren Rollen heraus und hinterfragen den Übereifer, mit dem sie Gott und Glauben auf den Grund gehen, die vaterlose Gesellschaft ohne Haus und Hüter anprangern. Die schablonenhafte Aufteilung in Männersaat und Frauensaat wird hinterfragt wie die Positionierung der heutigen Attentäter als Stellvertreter mythologischer Machthalter. Durch die von zwei Pults aus live eingespielte elektronische Musik nimmt die Auseinandersetzung zusätzlich Fahrt auf.
Gegen das kollektiv vereinnahmende ''Wir'' tritt immer wieder der Einzelne heraus. Als bemerkenswerte berlinernde Rampensau erweist sich dabei Andreas Döhler. Ihm ist der Text regelrecht in die Glieder gefahren und er macht daraus großes Entertainment. Dem rechten Spuk der Wutbürger und den Terrorattacken wird so eine wohltuend komische Note abgerungen. Auch die anderen vier Ensemblemitglieder werfen sich mächtig ins Zeug beim Abschreiten dieser Via Dolorosa, die in einer Kreuzigungsszene auf einem ausgebombten Auto gipfelt. Das SOS des Schlusschors verspricht hier aber doch auch ein bisschen Hoffnung. Eine sehenswerte Lesart des viel gespielten Epos.
Die fünf Schauspieler nähern sich dem Thema Terror, wie es die meisten tun: aus der Distanz. In Abendgarderobe und bei einem Glas Champagner plaudern sie über Anschläge. Aber die Gläser sind aus Plastik und der Champagner nur Wasser, wie Andreas Döhler feststellt. Er fängt an zu schimpfen und zu toben – Wut braucht halt nicht immer einen Grund. Überhaupt, Andreas Döhler: ein Wahnsinns-Schauspieler. Egal ob er als sächselnder Pegida-Redner einen großen Auftritt hat, die Arme bewegt, als würde sich sein Körper gleich verflüssigen oder selbstversunken auf und ab tänzelt: immer ist da eine feine Ironie und ein jugendhafter Spaß. Auch die anderen sind gut: Anja Schneider mit unglaublich präziser Sprechweise, Sabine Waibel als betrogene Elfi, Linn Reusse als Attentäter und Sebastian Grünewald als Waffenfetischist. [...] Die Musiker – die bemerkenswerte Friederike Bernhardt an Keyboard und Synthesizer und ein Schlagzeuger am Percussion Pad – zeigen, was sie können und drehen ihren eigentümlichen Electro-Sound auf. Jelinek assoziiert sich in ihrer Suada frei durch die Weltgeschichte und macht Halt bei der griechischen Mythologie, der Bibel und der Gegenwart, in der Morden zum medialen Akt geworden ist. Es ist ein ungewöhnlich ernster Text, das Grundgefühl: Ohnmacht. [...] Martin Laberenz, der das Stück in den Kammerspielen des Deutschen Theaters inszeniert, holt da schon ziemlich viel raus. Vor allem mehr Witz, als man für möglich gehalten hätte. [...]
Die fünf Schauspieler nähern sich dem Thema Terror, wie es die meisten tun: aus der Distanz. In Abendgarderobe und bei einem Glas Champagner plaudern sie über Anschläge. Aber die Gläser sind aus Plastik und der Champagner nur Wasser, wie Andreas Döhler feststellt. Er fängt an zu schimpfen und zu toben – Wut braucht halt nicht immer einen Grund. Überhaupt, Andreas Döhler: ein Wahnsinns-Schauspieler. Egal ob er als sächselnder Pegida-Redner einen großen Auftritt hat, die Arme bewegt, als würde sich sein Körper gleich verflüssigen oder selbstversunken auf und ab tänzelt: immer ist da eine feine Ironie und ein jugendhafter Spaß. Auch die anderen sind gut: Anja Schneider mit unglaublich präziser Sprechweise, Sabine Waibel als betrogene Elfi, Linn Reusse als Attentäter und Sebastian Grünewald als Waffenfetischist. [...] Die Musiker – die bemerkenswerte Friederike Bernhardt an Keyboard und Synthesizer und ein Schlagzeuger am Percussion Pad – zeigen, was sie können und drehen ihren eigentümlichen Electro-Sound auf.
Martin Laberenz und sein hervorragendes Team helfen dabei. Sie befragen und erkunden den Text neugierig, halten dabei Sektgläser in der Hand. Vom aufgeregten Party-Geplauder geht es in die Identifikation. Syrische Gotteskrieger, deutsche Wutbürger, milde Marien bevölkern die Bühne. Und das ohne in Karikaturen zu münden. So gelingt es etwa der jungen und fabelhaften Linn Reusse in der Rolle des Dschihadisten zugleich überzeugend zu argumentieren und naiv-neutral zu bleiben. In diesem Schwebezustand scheint die Inszenierung manchmal klüger zu sein als der Text. Elfriede Jelinek schrieb unter dem Eindruck der Attentate auf ''Charlie Hebdo'' in Paris 2015 diesen wilden Text. [...] Jelinek räsoniert und rätselt, assoziiert und schwadroniert, mal tiefgründig, mal albern. Eine Überforderung: Man tut gut daran zu akzeptieren, dass nur einzelne Sätze aus dem Wörterwald im Hirn des Zuschauers zur Anschauung kommen.
Martin Laberenz und sein hervorragendes Team helfen dabei. Sie befragen und erkunden den Text neugierig, halten dabei Sektgläser in der Hand. Vom aufgeregten Party-Geplauder geht es in die Identifikation. Syrische Gotteskrieger, deutsche Wutbürger, milde Marien bevölkern die Bühne. Und das ohne in Karikaturen zu münden. So gelingt es etwa der jungen und fabelhaften Linn Reusse in der Rolle des Dschihadisten zugleich überzeugend zu argumentieren und naiv-neutral zu bleiben. In diesem Schwebezustand scheint die Inszenierung manchmal klüger zu sein als der Text.
Bei allen Entzücken über inszenatorischen und schauspielerischen Glanz bleibt die Frage, was Jelineks Text bewirkt. Es ist ein Blick in die eigene Befindlichkeit – mehr in eine verunsicherte und verständnisvolle Gesellschaft denn in eine wütende. Der Regisseur schafft einen intensiven Abend, getragen von fünf grandiosen Schauspielern, die alle ihre großen Momente haben. Andreas Döhler, Sebastian Grünewald, Linn Reusse, Anja Schneider und Sabine Waibel bekommen Szenenapplaus für Monologe, die nachwirken. Zusammengehalten wird alles durch perfekt abgestimmte elektronische Live-Musik.
Bei allen Entzücken über inszenatorischen und schauspielerischen Glanz bleibt die Frage, was Jelineks Text bewirkt. Es ist ein Blick in die eigene Befindlichkeit – mehr in eine verunsicherte und verständnisvolle Gesellschaft denn in eine wütende.