
Woyzeck
von Georg Büchner
"Hohl, hörst du? Alles hohl da unten." Warum nur nimmt allein Woyzeck wahr, was doch so offensichtlich scheint: dass den Fundamenten nicht zu trauen ist? Sind sie denn taub, die anderen? Büchners radikales, Fragment gebliebenes Drama über die Liebe eines armen Stadtsoldaten zu seiner Marie und dem gemeinsamen Kind bringt eine unerhörte, neue Sprache auf die Bühne, verknappt, kraftvoll und kompromisslos. Und eine Titelfi gur, deren Geheimnis und Widersprüchlichkeit in größtmöglichem Gegensatz zu ihrer sozialen Stellung steht. Woyzeck: das Opfer. Der Täter. Der Ausgeschlossene. Der – vielleicht – sich bewusst außerhalb Stellende. Der Wahnsinnige. Der Träumer. Der Prophet.
Sebastian Hartmann entwickelt mit einer Schauspielerin, einem Schauspieler und einem Musiker, die alle Rollen des Stücks zusammen erzählen werden, einen eigenen Zugriff auf diese geheimnisvolle Geschichte. Einen Zugriff, der zur Folge hat, dass jede Vorstellung anders sein wird.
Sebastian Hartmann entwickelt mit einer Schauspielerin, einem Schauspieler und einem Musiker, die alle Rollen des Stücks zusammen erzählen werden, einen eigenen Zugriff auf diese geheimnisvolle Geschichte. Einen Zugriff, der zur Folge hat, dass jede Vorstellung anders sein wird.
Regie / Bühne Sebastian Hartmann
Kostüme Adriana Braga Peretzki
Musik Ch. 'Mäcki' Hamann
Video Voxi Bärenklau
Dramaturgie Juliane Koepp
Premiere 3. Oktober 2014
Benjamin LillieWoyzeck

Katrin WichmannMarie

Woyzeck
Marie
Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
Der Musiker Ch. Mäcki Hamann begleitet die Inszenierung mit Streicherklang und elektronischer Musik, melancholisch, soghaft, verzehrend. (...)
Wenn am Ende der Aufführung einer der letzten Sätze aus Heiner Müllers "Bildbeschreibung" zu hören ist: "(...) der Mord ist ein Geschlechtertausch, fremd im eigenen Körper", klingt das wie ein möglicher Schlüssel zu der Inszenierung. Alles konzentriert sich auf die psychische Verfasstheit von Franz und Marie und ihrem Leiden an der Unmöglichkeit von Nähe. Das Drama wird dadurch zu einem dunklen, langen Gedicht, einem Exzess an selbst zugefügten Schmerzen in einer Beziehung. Dass man diese Lust an der Dunkelheit, diese schwarze Romantik ästhetisch durchaus goutieren kann, dafür sorgt Hartmann (...) durchaus. (...)
Der Musiker Ch. Mäcki Hamann begleitet die Inszenierung mit Streicherklang und elektronischer Musik, melancholisch, soghaft, verzehrend. (...)
Wenn am Ende der Aufführung einer der letzten Sätze aus Heiner Müllers "Bildbeschreibung" zu hören ist: "(...) der Mord ist ein Geschlechtertausch, fremd im eigenen Körper", klingt das wie ein möglicher Schlüssel zu der Inszenierung.
Auch die stark ins Absurde driftenden Rand- und Rahmenszenen, etwa Büchners Zirkusspiele, ziehen die beiden Spieler zu sich heran – und verwandeln sich in zum Beispiel haltlos brabbelnde Primaten. "Bin ich ein Mensch", fragt bekanntlich Marie, wobei sie im historischen Kontext wohl eher nachfragt, ob Woyzeck sie für eine Hure hält nach dem Abenteuer mit dem Tambourmajor. Gemeinhin stellt diese Frage heute aber das Menschsein an sich in dieser Woyzeck-Welt infrage. Vielleicht sind die beiden ja noch nicht ganz, gerade erst oder gerade noch Mensch. Auch diese Assoziation eröffnet Hartmanns Experiment. Texte von Heiner Müller, "Hydra" etwa oder die grandiose "Bildbeschreibung", verstärken die Verrätselung wie die Frage nach den verschiedenen Formen von "Ich", die in diesem Paar stecken.
All das ist natürlich wahnsinnig anstrengend; für die beiden Darsteller, für den live-spielenden Musiker Mäcki Hamann, für das Publikum natürlich auch. Die Aufführung verweigert viel. Und hat zugleich sehr viel zu bieten. Benjamin Lillie und Katrin Wichmann erzählen einander sozusagen von den Abgründen im eigenen wie im anderen Ich, von den entscheidenden Momenten, an denen sich die Katastrophe der beiden abzeichnet. Auch den Mord vom Schluss spielen sie gleich zu Beginn ein paar Mal miteinander durch – Stechen und Sterben, Lieben und Leiden wird hier zum Feldversuch, zum Paarexperiment mit sehr ungewissem Ausgang. Wer den Text gut kennt, wird vor allem die Momente schätzen, wo Büchners Text sozusagen das Geschlecht wechselt, von ihr zu ihm hinüber mutiert oder umgekehrt.
Auch die stark ins Absurde driftenden Rand- und Rahmenszenen, etwa Büchners Zirkusspiele, ziehen die beiden Spieler zu sich heran – und verwandeln sich in zum Beispiel haltlos brabbelnde Primaten. "Bin ich ein Mensch", fragt bekanntlich Marie, wobei sie im historischen Kontext wohl eher nachfragt, ob Woyzeck sie für eine Hure hält nach dem Abenteuer mit dem Tambourmajor. Gemeinhin stellt diese Frage heute aber das Menschsein an sich in dieser Woyzeck-Welt infrage. Vielleicht sind die beiden ja noch nicht ganz, gerade erst oder gerade noch Mensch. Auch diese Assoziation eröffnet Hartmanns Experiment. Texte von Heiner Müller, "Hydra" etwa oder die grandiose "Bildbeschreibung", verstärken die Verrätselung wie die Frage nach den verschiedenen Formen von "Ich", die in diesem Paar stecken.
All das ist natürlich wahnsinnig anstrengend; für die beiden Darsteller, für den live-spielenden Musiker Mäcki Hamann, für das Publikum natürlich auch. Die Aufführung verweigert viel. Und hat zugleich sehr viel zu bieten.