
Wolken.Heim.
von Elfriede Jelinek
"Wir aber sind zuhaus, wo wir hinwandeln
zwischen Himmel und Erd
und unter den Völkern das erste."
"Wir sind hier. Uns gehören wir. Wir sind hier bei uns." Das meiststrapazierte Wort in Elfriede Jelineks Wolken.Heim. ist "wir": "Wir aber wir aber wir aber wir…". Der Text entstand im Jahr 1988, wenige Monate, bevor der Taumel der Wendejahre die Deutschen zum kollektiven Subjekt einer Wir-Erzählung werden ließ. In einem sich drehenden Wirbel aus Sprache entwirft das Stück eine Wir-Beschwörung als manische Suche nach Selbstverortung. Was ist das Deutsche, was die deutsche Nation, wer sind "wir"? Ein Ort zwischen Wolken und Heim, zwischen Luftschloss und Gruft. Land des Idealismus, Land des Faschismus: dazwischen Deutschland, im Nirgendwo, auf der nicht endenden Suche nach einer Identität, die nur im Ausschluss des jeweils Fremden zu sich findet. "Wir sind hier. Dort sind die andern. Aber wir nicht, wir nicht!" Elfriede Jelineks hochartifizieller Prosatext ist ein Zitatengeflecht: Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte, Kleist und die Briefe der RAF werden – teils sinnentstellt und sinnverkehrt – zu Kronzeugen des deutschen Nationalismus. Die Worte der Dichter und Denker und die Reden der Täter und Mörder fließen in eins, in diesem Spracharchiv der deutschen Seele. Das Ensemble um den Regisseur Martin Laberenz, der am Deutschen Theater bereits Elfriede Jelineks WUT inszeniert hat, begibt sich 30 Jahre nach dem Mauerfall und nach der Entstehung dieses Textes auf die Suche nach den Phantasmen des deutschen "Wir".
zwischen Himmel und Erd
und unter den Völkern das erste."
"Wir sind hier. Uns gehören wir. Wir sind hier bei uns." Das meiststrapazierte Wort in Elfriede Jelineks Wolken.Heim. ist "wir": "Wir aber wir aber wir aber wir…". Der Text entstand im Jahr 1988, wenige Monate, bevor der Taumel der Wendejahre die Deutschen zum kollektiven Subjekt einer Wir-Erzählung werden ließ. In einem sich drehenden Wirbel aus Sprache entwirft das Stück eine Wir-Beschwörung als manische Suche nach Selbstverortung. Was ist das Deutsche, was die deutsche Nation, wer sind "wir"? Ein Ort zwischen Wolken und Heim, zwischen Luftschloss und Gruft. Land des Idealismus, Land des Faschismus: dazwischen Deutschland, im Nirgendwo, auf der nicht endenden Suche nach einer Identität, die nur im Ausschluss des jeweils Fremden zu sich findet. "Wir sind hier. Dort sind die andern. Aber wir nicht, wir nicht!" Elfriede Jelineks hochartifizieller Prosatext ist ein Zitatengeflecht: Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte, Kleist und die Briefe der RAF werden – teils sinnentstellt und sinnverkehrt – zu Kronzeugen des deutschen Nationalismus. Die Worte der Dichter und Denker und die Reden der Täter und Mörder fließen in eins, in diesem Spracharchiv der deutschen Seele. Das Ensemble um den Regisseur Martin Laberenz, der am Deutschen Theater bereits Elfriede Jelineks WUT inszeniert hat, begibt sich 30 Jahre nach dem Mauerfall und nach der Entstehung dieses Textes auf die Suche nach den Phantasmen des deutschen "Wir".
Regie Martin Laberenz
Bühne Bettina Pommer
Kostüme Aino Laberenz
Musik Polina Lapkovskaja
Licht Marco Scherle
Dramaturgie Bernd Isele
Premiere
29. November 2019
Kammerspiele
29. November 2019
Kammerspiele
Edgar Eckert

Lorena Handschin

Holger Stockhaus

Birgit Unterweger

Regine Zimmermann

Das arbeitet Regisseur Laberenz gemeinsam mit dem Ensemble (Edgar Eckert, Birgit Unterweger, Lorena Handschin, Holger Stockhaus, Regine Zimmermann) tatsächlich sehr schön heraus.
Aus all dem hat Elfriede Jelinek, die Österreicherin, eine Collage gebaut, die ein ideologisch überhöhtes und einigermaßen schauriges Bild der deutschen Seele zeichnet. Und die, das ist vielleicht sogar das Stärkste, weil natürlich Hochaktuelle an diesem Text, die ideologischen Einsatz- und auch Missbrauchsmöglichkeiten der Sprache selbst deutlich ausstellt. [...]
Das arbeitet Regisseur Laberenz gemeinsam mit dem Ensemble (Edgar Eckert, Birgit Unterweger, Lorena Handschin, Holger Stockhaus, Regine Zimmermann) tatsächlich sehr schön heraus.
Der Abend warnt also durchaus vor dem Wiedererstarken der rechten Kräfte. Allerdings nicht didaktisch mit dem Zeigefinger. Laberenz' Kommentar liegt in der distanzierenden Ironie [...]
Eine Inszenierung, die die Wurzeln deutscher Geistesgeschichte untersucht, ist eine Tiefenbohrung, die gewinnbringender ist als jedes bloße Stochern im Hier und Jetzt. [Regisseur Martin] Laberenz setzt an diesem kurzen, 80 minütigen Abend fast ausschließlich auf Sprache, auf die Stimmen aus der Vergangenheit – die mitunter gar nicht so vergangen klingen. [...]
Der Abend warnt also durchaus vor dem Wiedererstarken der rechten Kräfte. Allerdings nicht didaktisch mit dem Zeigefinger. Laberenz' Kommentar liegt in der distanzierenden Ironie [...]
Eine Inszenierung, die die Wurzeln deutscher Geistesgeschichte untersucht, ist eine Tiefenbohrung, die gewinnbringender ist als jedes bloße Stochern im Hier und Jetzt.
Nach einem unheimlichen Bühnengewitter werden ein paar hübsch-harmonische Liedchen geträllert, zuletzt "Mont Klamott" von Silly, ein Lied über den Trümmerberg im Volkspark Friedrichshain. Nach nicht einmal eineinhalb Stunden endet die collagierte Diskursanalyse. Unterm Grün liegt der Weltkriegsschutt. Oder ist die Farbe der neueste Anstrich des aggressiv Nationalen?
In den von Aino Laberenz entworfenen Kostümen sehen sie aus wie uniformiert – zunächst in grellgrünen Glitzergewändern, später in schwarzen Kleidern und Anzügen. So stehen sie auf dem ausgerollten Kunstrasen, bevor sie sich mit selbstzufrieden-süffisantem Grinsen in quietschende Klappstühle fläzen. [...]
Nach einem unheimlichen Bühnengewitter werden ein paar hübsch-harmonische Liedchen geträllert, zuletzt "Mont Klamott" von Silly, ein Lied über den Trümmerberg im Volkspark Friedrichshain. Nach nicht einmal eineinhalb Stunden endet die collagierte Diskursanalyse. Unterm Grün liegt der Weltkriegsschutt. Oder ist die Farbe der neueste Anstrich des aggressiv Nationalen?