Winterreise

von Elfriede Jelinek
Franz Schubert komponierte die 'Winterreise' 1827, ein Jahr vor seinem frühen Tod. Elfriede Jelinek, die ab ihrem sechsten Lebensjahr Klavier lernte und später diverse Instrumente studierte, begleitet der Liederzyklus seit ihrer Kindheit. Kein Werk der Kunst, so sagt sie, habe ihr je mehr bedeutet. Nun begibt sie sich auf ihre eigene 'Winterreise', die sie, dem rastlosen Wanderer Schuberts gleich, in fremde und unwirtliche Gefilde führt. Allerdings ist die Reise Jelineks eine innere Reise, eine Wanderung in der passiven Bewegung; denn seit einigen Jahren hat sich die Autorin auf Grund einer Angsterkrankung aus dem Leben zurückgezogen. Auf einem verschlungenen Weg schreibt sich Jelinek heran an einen Schmerzpunkt, stellt existentielle Fragen nach dem Leben, der Liebe und dem Tod. Dabei nimmt sie aktuelle Ereignisse, wie die Entführung Natascha Kampuschs zur Hilfe, um ihren eigenen Zustand der Isolation und Fremdheit in Worte zu fassen. Schonungslos setzt sie sich mit ihrer eigenen Biografie auseinander, mit der Erinnerung an eine übermächtige Mutter und ihren an Demenz erkrankten Vater,  und begibt sich auf Gebiete größter Intimität.
Premiere 9. September 2011
Judith Hofmann
Annette Paulmann
Maria Schrader
Anita Vulesica
Susanne Wolff
taz
Barbara Behrendt, 12.09.2011
Die Bühne ist ein Blütenmeer, durch das fünf Schauspielerinnen in Blumenkleidern wandeln wie Feen in einem bunten Märchenland; mittendrin eine Holzbank und ein schwarzer Flügel. Das alles wirkt wunderschön, surreal und ein wenig bombastisch.

Susanne Wolff, Annette Paulmann, Maria Schrader, Anita Vulesica und Judith Hofmann spazieren im warmen Sonnenlicht; am hinteren Bühnenende tanzen ihre Schatten. Blumen werden zu riesigen Bäumen und eine Frau schrumpft zu einem Däumelinchen. Ein Lichtwechsel – und die Landschaft wird zur bedrohlichen Traumkulisse.

Die Sprechkunst der Schauspielerinnen, vor allem von Annette Paulmann und Anita Vulesica, muss man hervorheben. Wie sie es immer wieder schaffen, die Sätze so zu modellieren, dass man sich nicht im Jelinek-Sound verliert, dass man den Wortwitz in jedem Moment greifen kann, das ist schon bemerkenswert.
Die Bühne ist ein Blütenmeer, durch das fünf Schauspielerinnen in Blumenkleidern wandeln wie Feen in einem bunten Märchenland; mittendrin eine Holzbank und ein schwarzer Flügel. Das alles wirkt wunderschön, surreal und ein wenig bombastisch.

Susanne Wolff, Annette Paulmann, Maria Schrader, Anita Vulesica und Judith Hofmann spazieren im warmen Sonnenlicht; am hinteren Bühnenende tanzen ihre Schatten. Blumen werden zu riesigen Bäumen und eine Frau schrumpft zu einem Däumelinchen. Ein Lichtwechsel – und die Landschaft wird zur bedrohlichen Traumkulisse.

Die Sprechkunst der Schauspielerinnen, vor allem von Annette Paulmann und Anita Vulesica, muss man hervorheben. Wie sie es immer wieder schaffen, die Sätze so zu modellieren, dass man sich nicht im Jelinek-Sound verliert, dass man den Wortwitz in jedem Moment greifen kann, das ist schon bemerkenswert.
Die Welt
Matthias Heine, 12.09.2011
Seinen größten, immerhin fast einstündigen „Moment“ hat der Abend aber, wenn Maria Schrader den Teil spielt, der von der Abschiebung eines dementen Vaters durch  Mutter und Tochter ins Irrenhaus handelt. So haben es auch Jelinek und ihre ehrgeizige Mutter gemacht, und seit dem Debütroman „Die Klavierspielerin“ hat die Nobelpreisträgerin immer wieder über die Mischung aus Schuldbewusstsein und Befreiung geschrieben, die sich mit dem Akt des symbolischen Vatermords verband. Wenn Maria Schrader nach der Pause mit Opa-Brille kommt, merkt man gleich, dass jetzt eine ganz andere Stimmung angeschlagen wird.  Sie sitzt im grauen Anzug mit Pappkoffer auf einer Bank, und schon der Anblick weckt vielfältigste Assoziationen: Maria Schrader macht aus dem Vater-Drama einen atemberaubenden Tragödienhöhepunkt. Seinen größten, immerhin fast einstündigen „Moment“ hat der Abend aber, wenn Maria Schrader den Teil spielt, der von der Abschiebung eines dementen Vaters durch  Mutter und Tochter ins Irrenhaus handelt. So haben es auch Jelinek und ihre ehrgeizige Mutter gemacht, und seit dem Debütroman „Die Klavierspielerin“ hat die Nobelpreisträgerin immer wieder über die Mischung aus Schuldbewusstsein und Befreiung geschrieben, die sich mit dem Akt des symbolischen Vatermords verband. Wenn Maria Schrader nach der Pause mit Opa-Brille kommt, merkt man gleich, dass jetzt eine ganz andere Stimmung angeschlagen wird.  Sie sitzt im grauen Anzug mit Pappkoffer auf einer Bank, und schon der Anblick weckt vielfältigste Assoziationen: Maria Schrader macht aus dem Vater-Drama einen atemberaubenden Tragödienhöhepunkt.
Berliner Morgenpost
Kathrin Pauly, 11.09.2011
Wo im Text die Anspielungen auf die musikalische Vorlage oft nur zu erahnen sind, stellt Kriegenburg, die Mehrwertmöglichkeiten des Theaters nutzend, geschickt konkrete Zusammenhänge her. Wo im Text die Anspielungen auf die musikalische Vorlage oft nur zu erahnen sind, stellt Kriegenburg, die Mehrwertmöglichkeiten des Theaters nutzend, geschickt konkrete Zusammenhänge her.
Junge Welt
Anja Röhl, 13.09.2011
(Jelineks) Stück 'Winterreise' bildet den Auftakt nach der Sommerpause des Deutschen Theaters in Berlin; es ist eine Art Bilanz: „Wer bin ich, wo kam ich her, wo will ich noch hin?“ Eine Bilanz des eigenen Lebens, in dem sich so sehr allgemeines Leben spiegelt, daß einem schwindelig werden kann. Ein großartiger Text, der sich durch eine Sprache auszeichnet, die unerwartet, selbstironisch und entlarvend wie lautes Denken dahinzurasen scheint.
Andreas Kriegenburg platziert das Stück auf einer grünen Blumenwiese, auf der fünf Teile eines Ichs miteinander streiten. Diese Ichs werden durch Frauen gespielt, die es in sich haben: Maria Schrader, gibt Zitate aus der 'Klavierspielerin', die in das Stück eingearbeitet sind; Annette Paulmann spielt witzig, aufmüpfig und geistreich. Dazu drei Frauen des DT-Ensembles, nämlich die kühl, kantig und zerbrechlich wirkende Judith Hofmann, sehr weiß im Gesicht; die mütterlich resolut wirkende Anita Vulesica, selbstbewußt, oft wütend; schließlich Susanne Wolff, hier mit Jelinek-Frisur ein großartiges Alter ego der Künstlerin, trotzig, bestimmt, verschlossen.
(Jelineks) Stück 'Winterreise' bildet den Auftakt nach der Sommerpause des Deutschen Theaters in Berlin; es ist eine Art Bilanz: „Wer bin ich, wo kam ich her, wo will ich noch hin?“ Eine Bilanz des eigenen Lebens, in dem sich so sehr allgemeines Leben spiegelt, daß einem schwindelig werden kann. Ein großartiger Text, der sich durch eine Sprache auszeichnet, die unerwartet, selbstironisch und entlarvend wie lautes Denken dahinzurasen scheint.
Andreas Kriegenburg platziert das Stück auf einer grünen Blumenwiese, auf der fünf Teile eines Ichs miteinander streiten. Diese Ichs werden durch Frauen gespielt, die es in sich haben: Maria Schrader, gibt Zitate aus der 'Klavierspielerin', die in das Stück eingearbeitet sind; Annette Paulmann spielt witzig, aufmüpfig und geistreich. Dazu drei Frauen des DT-Ensembles, nämlich die kühl, kantig und zerbrechlich wirkende Judith Hofmann, sehr weiß im Gesicht; die mütterlich resolut wirkende Anita Vulesica, selbstbewußt, oft wütend; schließlich Susanne Wolff, hier mit Jelinek-Frisur ein großartiges Alter ego der Künstlerin, trotzig, bestimmt, verschlossen.
suite101
Stefan Kassel, 10.09.2011
Sommerlich ist´s in der Winterreise, eine üppig wuchernde Wiese entfaltet sich in ihrer blühenden Pracht, und für einen Moment wird man von einem Gefühl angerührt, das Joseph von Eichendorff in seinem Gedicht „Mondnacht“ einzufangen versuchte: „Es war, als hätt´ der Himmel/Die Erde still geküsst“. Und tatsächlich, der Bühnenhintergrund ist dunkel, beinahe schwarz. Dieser metaphysische Kuss, der die Grenzen zweier getrennter Sphären auflöst, wird durch das Bühnenbild von Nikolaus Frinke hervorgerufen […]. Sommerlich ist´s in der Winterreise, eine üppig wuchernde Wiese entfaltet sich in ihrer blühenden Pracht, und für einen Moment wird man von einem Gefühl angerührt, das Joseph von Eichendorff in seinem Gedicht „Mondnacht“ einzufangen versuchte: „Es war, als hätt´ der Himmel/Die Erde still geküsst“. Und tatsächlich, der Bühnenhintergrund ist dunkel, beinahe schwarz. Dieser metaphysische Kuss, der die Grenzen zweier getrennter Sphären auflöst, wird durch das Bühnenbild von Nikolaus Frinke hervorgerufen […].
Stuttgarter Zeitung
Michael Bienert, 13.09.2011
Mit schwarzem Humor und Selbstironie führt die „Winterreise“ plötzlich eisklar in die Gegenwart: Schuberts einsamer Wanderer würde seiner Liebsten heute wohl eine Abschieds-SMS schicken und gar nicht mehr aus dem Haus gehen, sondern sich in der Kälte des Cyberspace verlieren. Mit schwarzem Humor und Selbstironie führt die „Winterreise“ plötzlich eisklar in die Gegenwart: Schuberts einsamer Wanderer würde seiner Liebsten heute wohl eine Abschieds-SMS schicken und gar nicht mehr aus dem Haus gehen, sondern sich in der Kälte des Cyberspace verlieren.

Außerdem im Spielplan

Mit englischen Übertiteln
von Rainald Goetz
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln

Forever Yin Forever Young

Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40