
Unschuld
von Dea Loher
Eine Hafenstadt in Europa: Elisio und Fadoul sind zwei illegale Immigranten. Sie sehen eine Frau ins Meer gehen und ertrinken, ohne ihr zu helfen. Der eine kann vor Schuldgefühlen nicht mehr schlafen, der andere findet eine Tüte voller Geld. Absolut ist eine blinde junge Frau, die nackt tanzt für Männer, die sehen können. Frau Habersatt sucht die Familien von Gewaltopfern auf und bittet um Vergebung für Taten, die sie nicht begangen hat. Wie ein Junkie der Schuld. Franz hat einen Job fürs Leben gefunden: Er versorgt in einem Bestattungsunternehmen die Toten. Seine Frau Rosa möchte ein Kind von ihm. Ihre Mutter, Frau Zucker, hat Zucker, zelebriert ihre fortschreitenden Amputationen und zieht bei dem jungen Paar ein, um sich von ihm wie an Kindes statt bemuttern zu lassen. Ella, eine alternde Philosophin, hat ihre Bücher verbrannt und glaubt an nichts mehr.
Dea Lohers richtungweisendes Stück Unschuld umfasst ein Panoptikum von Figuren und Geschichten vom Rand der Gesellschaft, verzweifelt komisch, makaber und klar, kompromisslos in seiner Zuspitzung und liebevoll in seiner Genauigkeit. Michael Thalheimer sichtet das Stück neu und inszeniert damit erstmals ein Werk von Dea Loher, der wohl wichtigsten Dramatikerin ihrer Generation.
Dea Lohers richtungweisendes Stück Unschuld umfasst ein Panoptikum von Figuren und Geschichten vom Rand der Gesellschaft, verzweifelt komisch, makaber und klar, kompromisslos in seiner Zuspitzung und liebevoll in seiner Genauigkeit. Michael Thalheimer sichtet das Stück neu und inszeniert damit erstmals ein Werk von Dea Loher, der wohl wichtigsten Dramatikerin ihrer Generation.
Regie Michael Thalheimer
Bühne Olaf Altmann
Kostüme Michaela Barth
Musik Bert Wrede
Chorleitung Marcus Crome
Dramaturgie John von Düffel
Premiere 29. September 2011
Andreas DöhlerElisio

Peter MoltzenFadoul

Katrin WichmannAbsolut

Gabriele HeinzFrau Habersatt

Michael GerberVater eines getöteten Mädchens

Kathleen MorgeneyerMutter eines getöteten Mädchens

Barbara SchnitzlerFrau Zucker

Olivia GräserRosa

Ingo HülsmannElla
Jürgen HuthHelmut

Kathleen MorgeneyerEine junge Ärztin

Elisio
Fadoul
Absolut
Frau Habersatt
Vater eines getöteten Mädchens
Mutter eines getöteten Mädchens
Frau Zucker
Rosa
Ella
Helmut
Eine junge Ärztin
Katrin Wichmann schält die symbolbeladene blinde Stripperin grandios aus sämtlichen Überspannungen heraus und verankert sie mit einem trockenen Lachen auf dem Boden der Tatsachen. Barbara Schnitzler feuert als fußamputierte Ex-Kommunistin ihre Amokläufer-Fantasien so treffsicher ab, dass man zumindest für diesen Abend glaubt, Tankstellen könnten bereits durch pure Wortgewalt explodieren. Sven Lehmann balanciert als Leichenwäscher traumwandlerisch zwischen dem Ehetragödien-Realo und dem selbst bereits ins Zombie-Stadium entrückten Freak. Kathleen Morgeneyer schleudert aus der komplett unterspannten Körperhaltung einer Mutter, die ihr Kind verloren hat, urplötzlich eine Hasstirade auf ihren Ehemann (Michael Gerber) heraus, deren Messerschärfe einen aus dem Sitz fahren lässt.
Ingo Hülsmann gelingt das Kunststück, die Philosophin Ella gleichzeitig mit überdeutlichem Wirkungsbewusstsein auszustatten und dennoch souverän an sämtlichen Klischeefettnäpfen vorbei zu navigieren. Andreas Döhlers leiser Einwanderer Elisio besticht noch in den introvertiertesten Momenten mit seiner punktgenauen, unaufdringlichen Präsenz. Und auch die Rollen-Auffassung Peter Moltzens, der seinen gewichtigen Fadoul bewusst überzeichnet, passt sich durchaus in Thalheimers Konzeption ein. Bei aller Entschiedenheit seines Zugriffs lässt Thalheimer den Akteuren auffallend viel Raum, auf je eigene Art ihre Figuren zu erfinden. Und den wissen die Schauspieler zu nutzen.
Katrin Wichmann schält die symbolbeladene blinde Stripperin grandios aus sämtlichen Überspannungen heraus und verankert sie mit einem trockenen Lachen auf dem Boden der Tatsachen. Barbara Schnitzler feuert als fußamputierte Ex-Kommunistin ihre Amokläufer-Fantasien so treffsicher ab, dass man zumindest für diesen Abend glaubt, Tankstellen könnten bereits durch pure Wortgewalt explodieren. Sven Lehmann balanciert als Leichenwäscher traumwandlerisch zwischen dem Ehetragödien-Realo und dem selbst bereits ins Zombie-Stadium entrückten Freak. Kathleen Morgeneyer schleudert aus der komplett unterspannten Körperhaltung einer Mutter, die ihr Kind verloren hat, urplötzlich eine Hasstirade auf ihren Ehemann (Michael Gerber) heraus, deren Messerschärfe einen aus dem Sitz fahren lässt.
Ingo Hülsmann gelingt das Kunststück, die Philosophin Ella gleichzeitig mit überdeutlichem Wirkungsbewusstsein auszustatten und dennoch souverän an sämtlichen Klischeefettnäpfen vorbei zu navigieren. Andreas Döhlers leiser Einwanderer Elisio besticht noch in den introvertiertesten Momenten mit seiner punktgenauen, unaufdringlichen Präsenz. Und auch die Rollen-Auffassung Peter Moltzens, der seinen gewichtigen Fadoul bewusst überzeichnet, passt sich durchaus in Thalheimers Konzeption ein.
Jede Figur wirkt, als sei sie aus dem Chor hervorgetreten, keine ist mit sich allein, und den Dialogen gibt nicht wie im Kammerspiel die Psychologie den Ton vor, sondern die Choreographie. Denn die Figuren kokettieren nicht damit, dass sie aus der Leere kommen. Sie tauchen einfach auf, sind da, und im Hintergrund, von dem sie sich lösen, spukt kein ominöses Nichts. Es gib da nur eine sehr alte Kraftquelle des Theaters: den Chor, der früher die Tragödie kommentierte.
Jede Figur wirkt, als sei sie aus dem Chor hervorgetreten, keine ist mit sich allein, und den Dialogen gibt nicht wie im Kammerspiel die Psychologie den Ton vor, sondern die Choreographie.