
Die lächerliche Finsternis
von Wolfram Lotz
"Warum kann ich nicht freundlich sein, warum kann ich nicht ein wenig offen sein zu den anderen Kreaturen?"
Zwei Soldaten sind in Afghanistan auf der Suche nach einem Oberstleutnant, der seine Kameraden im Wahn ermordet hat. Auf ihrer Reise in die Dunkelheit begegnen sie Figuren, die rätselhaft bis irrsinnig sind: Einem somalischen Fischer, dessen Fischgründe von wohlhabenden Nationen leer gefischt wurden und der nun als diplomierter Pirat sein Leben finanziert, italienischen Blauhelmsoldaten, die für die Produktion von Handys den Abbau von Coltan überwachen und einem Bürgerkriegsflüchtling vom Balkan, der auf einem Kanu lebt und mit Nudeln, Spannbetttüchern und Investmentfonds handelt.
Wolfram Lotz beschreibt in seinem Stück, das sowohl an Joseph Conrads Herz der Finsternis als auch an Francis Ford Coppolas Apocalypse Now angelehnt ist, eine Welt, in der Zeit und Raum außer Kraft gesetzt zu sein scheinen. Die Fahrt auf dem Fluss führt immer tiefer ins 'Herz der Apokalypse', in der der West-Europäer um Orientierung ringt.
Zwei Soldaten sind in Afghanistan auf der Suche nach einem Oberstleutnant, der seine Kameraden im Wahn ermordet hat. Auf ihrer Reise in die Dunkelheit begegnen sie Figuren, die rätselhaft bis irrsinnig sind: Einem somalischen Fischer, dessen Fischgründe von wohlhabenden Nationen leer gefischt wurden und der nun als diplomierter Pirat sein Leben finanziert, italienischen Blauhelmsoldaten, die für die Produktion von Handys den Abbau von Coltan überwachen und einem Bürgerkriegsflüchtling vom Balkan, der auf einem Kanu lebt und mit Nudeln, Spannbetttüchern und Investmentfonds handelt.
Wolfram Lotz beschreibt in seinem Stück, das sowohl an Joseph Conrads Herz der Finsternis als auch an Francis Ford Coppolas Apocalypse Now angelehnt ist, eine Welt, in der Zeit und Raum außer Kraft gesetzt zu sein scheinen. Die Fahrt auf dem Fluss führt immer tiefer ins 'Herz der Apokalypse', in der der West-Europäer um Orientierung ringt.
Regie Daniela Löffner
Ausstattung Claudia Kalinski
Musik Sebastian M. Purfürst
Dramaturgie Ulrich Beck
Premiere 14. Dezember 2014
Alexander KhuonOliver Pellner

Moritz GroveStefan Dorsch / Tofdau

Kathleen MorgeneyerSomalischer Pirat / Lodetti / Deutinger / Stojković / Reverend Carter / Der Papagei

Till-Jan Meinen
Valentin Olbrich
Marof Yaghoubi

Oliver Pellner
Stefan Dorsch / Tofdau
Somalischer Pirat / Lodetti / Deutinger / Stojković / Reverend Carter / Der Papagei
Being Thilo Sarrazin
Ein Porträt von Felix Stephan über den Dramatiker Wolfram Lotz
Die Welt, 05.09.2015
Ein Porträt von Felix Stephan über den Dramatiker Wolfram Lotz
Die Welt, 05.09.2015
Daniela Löffner (...) denkt in ihrer in sehr vielen Momenten saukomischen Inszenierung mit den drei klasse Spielern doch stets an solche Lotz-Sätze wie 'Diese düstere Welt, in der alles bebt vor Leben.' – Oder: 'Der kleine singende Vogel im Nest unseres Herzens.' Singt der überhaupt noch? Oder krächzt er bloß noch? Oder ist er tot? Das sind die großen Fragen, die natürlich nicht klar beantwortet werden. Die Inszenierung gibt sie ans Publikum weiter. Wir haben da also was zum Grübeln. Danke. Lotz packt das alles – Dritte-Welt-Elend, Aufruhr, Afghanistan, Somalia, Religionsfanatismus, Terrorismus, Seepiraterie, Ausbeutung, Kolonialismus, unsere Kriege gegen die-da-dort, also die anderen Kreaturen – mit gekonnter Naivität ins erhellend Groteske, Albtraumhafte. Wie anders wäre dieser Überkomplexität auch beizukommen in knapp zwei Stunden Theater. So lösen sich Zeiten und Räume auf und eine seltsam reale Phantasmagorie auf unseren kreuz und quer zerrissenen Globus wird entfesselt, in der zwei Bundewehrsoldaten, unterwegs in geheimer Mission im Auslandseinsatz, versacken (Alexander Khuon & Moritz Grove). Dabei haben die beiden Begegnungen der seltsamen oder sogar einigermaßen bekannten Art (Kathleen Morgeneyer in vielen verrückten Rollen). (...)
Daniela Löffner (...) denkt in ihrer in sehr vielen Momenten saukomischen Inszenierung mit den drei klasse Spielern doch stets an solche Lotz-Sätze wie 'Diese düstere Welt, in der alles bebt vor Leben.' – Oder: 'Der kleine singende Vogel im Nest unseres Herzens.' Singt der überhaupt noch? Oder krächzt er bloß noch? Oder ist er tot? Das sind die großen Fragen, die natürlich nicht klar beantwortet werden. Die Inszenierung gibt sie ans Publikum weiter. Wir haben da also was zum Grübeln. Danke.
Alexander Khuon plustert sich auf, ist kerlig bis zum Umfallen, verzieht verächtlich die Mundwinkel und ignoriert sämtliche freundschaftlichen Annäherungsversuche des großartig verlegenen, gutmütig eingeschüchterten Moritz Grove. Die beiden bilden ein fabulöses Komödiengespann, während die viel beschäftigte Kathleen Morgeneyer von links und rechts dazu eilt und die grotesken Figuren darstellen darf, die ihnen auf ihrer Reise begegnen – einen italienischen Blauhelmsoldaten mit Espressotassen in der Hose, einen scheinheiligen Priester, ein geschäftstüchtiges Kriegsopfer und einen Papagei. Es ist, Ausstatterin Claudia Kalinski sei Dank, eine visuell hinreißende Bootsfahrt geworden: Verträumt und stoisch zugleich schwebt das militärische Verkehrsmittel als schlichte Plattform die meiste Zeit über dem Boden, ausgepolstert von dickbauschigen weißen Folien, die sich im Verlauf der Reise immer weiter entfalten, riesig und immer riesiger werden, bis sie den gesamten Horizont ausfüllen. (...)
Alexander Khuon plustert sich auf, ist kerlig bis zum Umfallen, verzieht verächtlich die Mundwinkel und ignoriert sämtliche freundschaftlichen Annäherungsversuche des großartig verlegenen, gutmütig eingeschüchterten Moritz Grove. Die beiden bilden ein fabulöses Komödiengespann, während die viel beschäftigte Kathleen Morgeneyer von links und rechts dazu eilt und die grotesken Figuren darstellen darf, die ihnen auf ihrer Reise begegnen – einen italienischen Blauhelmsoldaten mit Espressotassen in der Hose, einen scheinheiligen Priester, ein geschäftstüchtiges Kriegsopfer und einen Papagei.
Im Zentrum steht der Hauptfeldwebel Oliver Pellner, der zugleich der Erzähler ist. Alexander Khuon spielt ihn als breitbeinigen Macho, der zur Begrüßung erstmal einen frauenfeindlichen Witz reißt. Zwischendurch gibt er Floskeln über die Grausamkeit der Natur von sich. Oder er schikaniert seinen Untergebenen, den Unteroffizier Stefan Dorsch. Moritz Grove spielt den großartig verdruckst und verschüchtert. (...)
Wolfram Lotz hatte den Text ursprünglich als Hörspiel geschrieben. Er besteht zum großen Teil aus erzählerischen Passagen. Die Regie findet dafür szenische Übersetzungen. Daniela Löffner hat große Lust am Theaterhaften und an der Verkleidung. (...)
Der Text hat eine schräge Fantasie, er ist voller Merkwürdigkeiten und Unwägbarkeiten. Wolfram Lotz beantwortet den Wahnsinn der Welt mit dem Wahnsinn des Theaters. Die Bühnenbildnerin Claudia Kalinski hat die Gefahr von Dschungel-Folklore umschifft und ganz starke, eindrückliche Bilder geschaffen. Eine riesige weiße Plastikplane ist auf der Bühne zu sehen. In der Bühnenmitte entsteht aus dieser Plane das Boot. Irgendwann wird die Plane aufgezogen, sodass sie die ganze Bühne verkleidet. Und weil diese Plane so hoch hinaufragt, hat das tatsächlich was von Urwald. (...)
Im Zentrum steht der Hauptfeldwebel Oliver Pellner, der zugleich der Erzähler ist. Alexander Khuon spielt ihn als breitbeinigen Macho, der zur Begrüßung erstmal einen frauenfeindlichen Witz reißt. Zwischendurch gibt er Floskeln über die Grausamkeit der Natur von sich. Oder er schikaniert seinen Untergebenen, den Unteroffizier Stefan Dorsch. Moritz Grove spielt den großartig verdruckst und verschüchtert. (...)
Wolfram Lotz hatte den Text ursprünglich als Hörspiel geschrieben. Er besteht zum großen Teil aus erzählerischen Passagen. Die Regie findet dafür szenische Übersetzungen. Daniela Löffner hat große Lust am Theaterhaften und an der Verkleidung. (...)
Der Text hat eine schräge Fantasie, er ist voller Merkwürdigkeiten und Unwägbarkeiten. Wolfram Lotz beantwortet den Wahnsinn der Welt mit dem Wahnsinn des Theaters.
In Daniela Löffners Inszenierung am Deutschen Theater Berlin hält Kathleen Morgeneyer den Monolog des Piraten. Sie erzählt von leergefischten, wasserlosen Meeren und von ihrem Diplom in Piraterie. Danach entern Alexander Khuon als machohafer Hauptfeldwebel Pellner und Moritz Grove als subalterner Unteroffizier Dorsch die Szene - es sind allesamt tolle Besetzungen. (...)
Die Fahrt in die Finsternisse des Kriegs wird zur Expedition in die Irrsinnswelt des eigenen Inneren. (...) Denn darauf kommt es der Inszenierung an: Sie zeigt neben den pointierten Slapstick-Einlagen von Khuon, Grove und Morgeneyer, den existentiellen Wahnsinn dieser militärischen Expedition. Lotz schreibt keine leicht konsumierbaren Well-made-Plays. Er ist ein renitenter, geradezu größenwahnsinniger Autor, er will die Möglichkeiten des Theaters übersteigern, so wie die Wirklichkeit, sagt er, dessen Möglichkeiten übersteigt. Lotz (...) bricht die Regeln, weil er mit allem Ernst und vollem Herzen dem auf der Spur ist, was Wirklichkeit bedeutet. (...)
In Daniela Löffners Inszenierung am Deutschen Theater Berlin hält Kathleen Morgeneyer den Monolog des Piraten. Sie erzählt von leergefischten, wasserlosen Meeren und von ihrem Diplom in Piraterie. Danach entern Alexander Khuon als machohafer Hauptfeldwebel Pellner und Moritz Grove als subalterner Unteroffizier Dorsch die Szene - es sind allesamt tolle Besetzungen. (...)
Die Fahrt in die Finsternisse des Kriegs wird zur Expedition in die Irrsinnswelt des eigenen Inneren. (...) Denn darauf kommt es der Inszenierung an: Sie zeigt neben den pointierten Slapstick-Einlagen von Khuon, Grove und Morgeneyer, den existentiellen Wahnsinn dieser militärischen Expedition.