
Kuffar. Die Gottesleugner
von Nuran David Calis
Der Autor und Regisseur Nuran David Calis ist unterwegs an den Bruchlinien unseres Gemeinwesens: auf der Spur derjenigen Fliehkräfte, die den Weg „von der Konsens- in die Konfliktgesellschaft“ (Wilhelm Heitmeyer) vorantreiben. Seit geraumer Zeit zählt dazu die Diskussion um die Religion.
In Die Lücke – ein Stück Keupstraße, entstanden am Schauspiel Köln,versammelte Calis Schauspieler und Bewohner der Kölner Keupstraße auf der Bühne, um von den Folgen des dortigen NSU-Nagelbombenanschlags zu erzählen. Und in Glaubenskämpfer, ebenfalls vom Schauspiel Köln, stritten und argumentierten Gläubige verschiedenster Couleur und Herkunft mit Darstellern um eben das: ihren Glauben. Beide Inszenierungen waren auch im Rahmen der Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin zu sehen.
Mit Kuffar. Die Gottesleugner, seinem jüngsten Stück, knüpft Calis an diese Arbeiten an und greift zugleich weiter aus. Die Situation in der Türkei kurz vor dem Militärputsch 1980 und das Heute der bundesrepublikanischen (Migrations-)Gesellschaft, die verwehten Träume früherer Revolutionäre und die Präsenz islamistischer Radikaler, die Traumata politischer Geflüchteter, das Unverständnis zwischen den Generationen und die Sehnsucht nach Überwindung des Bestehenden verwebt Calis zu einer irritierenden Bestandsaufnahme.
In Die Lücke – ein Stück Keupstraße, entstanden am Schauspiel Köln,versammelte Calis Schauspieler und Bewohner der Kölner Keupstraße auf der Bühne, um von den Folgen des dortigen NSU-Nagelbombenanschlags zu erzählen. Und in Glaubenskämpfer, ebenfalls vom Schauspiel Köln, stritten und argumentierten Gläubige verschiedenster Couleur und Herkunft mit Darstellern um eben das: ihren Glauben. Beide Inszenierungen waren auch im Rahmen der Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin zu sehen.
Mit Kuffar. Die Gottesleugner, seinem jüngsten Stück, knüpft Calis an diese Arbeiten an und greift zugleich weiter aus. Die Situation in der Türkei kurz vor dem Militärputsch 1980 und das Heute der bundesrepublikanischen (Migrations-)Gesellschaft, die verwehten Träume früherer Revolutionäre und die Präsenz islamistischer Radikaler, die Traumata politischer Geflüchteter, das Unverständnis zwischen den Generationen und die Sehnsucht nach Überwindung des Bestehenden verwebt Calis zu einer irritierenden Bestandsaufnahme.
Regie Nuran David Calis
Bühne Anne Ehrlich
Kostüme Amélie von Bülow, Carina von Bülow-Conradi
Musik Vivan Bhatti
Video Adrian Figueroa
Dramaturgie Claus Caesar
Uraufführung am 11. Dezember 2016, Kammerspiele
Harald BaumgartnerIsmet, älter

İsmail DenizIsmet, jünger

Christoph FrankenHakan (Abu Ibrahim)

Vidina PopovAyse, jünger

Almut ZilcherAyse, älter

Ismet, älter
Ismet, jünger
Hakan (Abu Ibrahim)
Ayse, jünger
Ayse, älter
Frankfurter Positionen / Schauspiel Frankfurt
28. und 29. Januar 2017
28. und 29. Januar 2017
Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Weltall Erde Mensch
Eine unwahrscheinliche Reise von Alexander Eisenach und Ensemble
Regie: Alexander Eisenach
DT Bühne
19.00 - 22.40
BERLIN-PREMIERE
Mit englischen Übertiteln
Kammer
19.30 - 21.15
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
[...]
Der Abend verweigert populistische Vereinfachungen. Man bleibt ratlos zurück, aber ratlos auf klügere Weise. Die Mühe lohnt sich. Stück und Inszenierung bieten verschiedene Formen und Ebenen des Sprechens auf, ohne dass man durcheinander kommt: Es gibt pointierte Dialoge, berichtende Passagen, lyrische innere Monologe und fanatische Predigten. Die Zeit ist mittels einer weißen Wand auf der Drehbühne räumlich sortiert, die Vorderseite ist das Jetzt, die Rückseite das Einst. Dokumentarisches Filmmaterial wird eingeblendet, die Youtube-Predigten werden live aufgenommen und scheinbar gleich gesendet. So übersichtlich die Inszenierung angelegt ist, so komplex und vielleicht auch tragisch ist die Konfliktlage.
[...]
Der Abend verweigert populistische Vereinfachungen. Man bleibt ratlos zurück, aber ratlos auf klügere Weise. Die Mühe lohnt sich.
[…]
Es ist nicht nur ein hochaktuelles Thema, dem sich Calis in seinem Stück zuwendet, es ist auch eine außerordentliche Inszenierung an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin geworden. Es ist die Rolle des Christoph Franken, auf die er an diesem Hause seit Jahren gewartet hat! Hier nun kann er einen Menschen zeigen, der im Religiösen den höchsten Sinn des Lebens findet und sich selbst darüber verloren geht - alle menschlichen Regungen, soweit sie sich nicht auf eine strenge Islamauslegung beziehen, verbietet er sich und anderen. Der Dschihad ist der Sinn des Lebens, ihm folgt das Kalifat, der Gottesstaat! Franken zeigt die Übergänge der Biographie: den noch Suchenden, vom Westen Enttäuschten, den Verletzlichen, der daran zweifelt, dass seine Eltern (stark in aller reflektierten Zurückhaltung: Harald Baumgartner und Almut Zilcher), die richtigen Lebensentscheidungen trafen. Im zeitlichen Gegenschnitt sehen wir die Eltern dann 1980 als junge kritische Intellektuelle im Widerstand gegen eine diktatorische Macht. Ismael Deniz und Vidina Popow sind diese beiden phantasiebegabten jungen Visionäre, die ihr Sohn nun so verachtet. Eine beklemmende Szenerie. Nuran David Calis, der türkisch-armenisch-deutsche Regisseur nimmt sich Zeit, die Geschichte von Hakan zu erzählen. Calis gehört zu den wichtigsten Regisseuren seiner Generation. Am Schauspiel Leipzig inszenierte er zuletzt einen fulminanten "Baal", am Residenztheater in München Werfels "40 Tage des Musa Dagh", in Köln ein Stück über die NSU-Morde. Und nun jener selbst geschriebene Text über Hakan, der sich eines Tages Abu Ibrahim nennt und einen radikal-islamischen Blog im Internet betreibt. Wie kam es dazu? Der Arzt verlor im Krankenhaus seine Stellung, weil er unerlaubt ausrangierte Geräte nach Syrien schickte. Aber das allein kann es auch nicht sein.
[…]
Es ist nicht nur ein hochaktuelles Thema, dem sich Calis in seinem Stück zuwendet, es ist auch eine außerordentliche Inszenierung an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin geworden. Es ist die Rolle des Christoph Franken, auf die er an diesem Hause seit Jahren gewartet hat! Hier nun kann er einen Menschen zeigen, der im Religiösen den höchsten Sinn des Lebens findet und sich selbst darüber verloren geht - alle menschlichen Regungen, soweit sie sich nicht auf eine strenge Islamauslegung beziehen, verbietet er sich und anderen. Der Dschihad ist der Sinn des Lebens, ihm folgt das Kalifat, der Gottesstaat! Franken zeigt die Übergänge der Biographie: den noch Suchenden, vom Westen Enttäuschten, den Verletzlichen, der daran zweifelt, dass seine Eltern (stark in aller reflektierten Zurückhaltung: Harald Baumgartner und Almut Zilcher), die richtigen Lebensentscheidungen trafen. Im zeitlichen Gegenschnitt sehen wir die Eltern dann 1980 als junge kritische Intellektuelle im Widerstand gegen eine diktatorische Macht. Ismael Deniz und Vidina Popow sind diese beiden phantasiebegabten jungen Visionäre, die ihr Sohn nun so verachtet. Eine beklemmende Szenerie.