
Krankenzimmer Nr. 6
von Anton Tschechow
Übersetzung von Peter Urban
Eine schäbige Baracke am Rande eines Krankenhauses, irgendwo in der russischen Provinz. Hier werden diejenigen verwahrt, die nicht mehr wie gewohnt funktionieren, deren Leben ausgebrochen sind aus dem gleichmäßigen Takt der Normalität. Um Therapie oder Heilung geht es nicht in der Baracke. Sie gleicht eher einem Gefängnis als einer Anstalt. Ihr Leiter ist der Arzt Andrej Efimyc, resigniert, voller Sehnsucht nach Ruhe und überzeugt davon, dass alle Sorge um den Menschen angesichts seiner Endlichkeit vergeblich sei. Eines Tages verstrickt ihn Ivan Dmitric Gromov, einer der Insassen, in ein Gespräch. Andrej Efimyc Ragin findet Gefallen am Feuer, das in dem anderen noch brennt, an seiner Lust, den Verhältnissen etwas entgegen zu setzen: zu leben. Von nun an wird der Doktor den Patienten häufiger besuchen. Im Ort beginnt man zu reden.
Mit großer Zärtlichkeit und erschütternder Klarheit umkreist Krankenzimmer Nr. 6 die großen Fragen: nach Schuld und Verantwortung, nach Wahnsinn und Gesellschaft, nach Körper und Metaphysik. Dimiter Gotscheff hat Tschechows „kleinen Roman“ aus dem Jahr 1892 für die Bühne adaptiert.
Eine schäbige Baracke am Rande eines Krankenhauses, irgendwo in der russischen Provinz. Hier werden diejenigen verwahrt, die nicht mehr wie gewohnt funktionieren, deren Leben ausgebrochen sind aus dem gleichmäßigen Takt der Normalität. Um Therapie oder Heilung geht es nicht in der Baracke. Sie gleicht eher einem Gefängnis als einer Anstalt. Ihr Leiter ist der Arzt Andrej Efimyc, resigniert, voller Sehnsucht nach Ruhe und überzeugt davon, dass alle Sorge um den Menschen angesichts seiner Endlichkeit vergeblich sei. Eines Tages verstrickt ihn Ivan Dmitric Gromov, einer der Insassen, in ein Gespräch. Andrej Efimyc Ragin findet Gefallen am Feuer, das in dem anderen noch brennt, an seiner Lust, den Verhältnissen etwas entgegen zu setzen: zu leben. Von nun an wird der Doktor den Patienten häufiger besuchen. Im Ort beginnt man zu reden.
Mit großer Zärtlichkeit und erschütternder Klarheit umkreist Krankenzimmer Nr. 6 die großen Fragen: nach Schuld und Verantwortung, nach Wahnsinn und Gesellschaft, nach Körper und Metaphysik. Dimiter Gotscheff hat Tschechows „kleinen Roman“ aus dem Jahr 1892 für die Bühne adaptiert.
Regie Dimiter Gotscheff
Bühne und Kostüme Katrin Brack
Fassung Ivan Panteleev
Musik Philipp Haagen
Dramaturgie Claus Caesar
Premiere 26. Februar 2010
Harald Baumgartner

Margit Bendokat

Andreas Döhler

Samuel Finzi

Philipp Haagen

Wolfram Koch

Katrin Wichmann

Almut Zilcher

Zitty
Denn alles an dieser bemerkenswert konzentrierten Inszenierung ist der Erforschung, dem Durch- und Ausleuchten des Menschendaseins gewidmet: Was ist der Mensch? Groß, ja warm- und weitherzig wird dieser Abend, indem er ohne vorgefertigte Meinung, ohne kalten Zynismus und ohne billige Bescheidwisserei auf uns Menschen blickt. Entsprechend liefert er auch keine klischierten, abgehangenen Bilder und Szenen, sondern eindringliche Studien über das, was Menschen zu Menschen macht. Die Sehnsucht, die Angst, das Hoffen auf ein Andersleben zum Beispiel. Dimiter Gotscheff hat sich eine Erzählung von Anton Tschechow zur Grundlage genommen, um uns ins Seelenhinterstübchen zu leuchten. Sein grandioses Ensemble mit so eigensinnigen Schauspielern wie Margit Bendokat, Almut Zilcher und Samuel Finzi entwirft dabei keine glatten Identifikationsfiguren, sondern Reflexionsflächen. Aus dem Schnürboden senken sich riesige Scheinwerfer herab, auf der Bühne steht en Tuba-Spieler, jede Szene ist ein Mini-Drama für sich: Alles zusammen ergibt einen selten dichten und intensiven Theaterabend.
Denn alles an dieser bemerkenswert konzentrierten Inszenierung ist der Erforschung, dem Durch- und Ausleuchten des Menschendaseins gewidmet: Was ist der Mensch? Groß, ja warm- und weitherzig wird dieser Abend, indem er ohne vorgefertigte Meinung, ohne kalten Zynismus und ohne billige Bescheidwisserei auf uns Menschen blickt. Entsprechend liefert er auch keine klischierten, abgehangenen Bilder und Szenen, sondern eindringliche Studien über das, was Menschen zu Menschen macht. Die Sehnsucht, die Angst, das Hoffen auf ein Andersleben zum Beispiel. Dimiter Gotscheff hat sich eine Erzählung von Anton Tschechow zur Grundlage genommen, um uns ins Seelenhinterstübchen zu leuchten. Sein grandioses Ensemble mit so eigensinnigen Schauspielern wie Margit Bendokat, Almut Zilcher und Samuel Finzi entwirft dabei keine glatten Identifikationsfiguren, sondern Reflexionsflächen. Aus dem Schnürboden senken sich riesige Scheinwerfer herab, auf der Bühne steht en Tuba-Spieler, jede Szene ist ein Mini-Drama für sich: Alles zusammen ergibt einen selten dichten und intensiven Theaterabend.
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tip
Diese verlorenen Gestalten sind komisch und traurig, aber wirklich bitter und erschütternd sind die brutalen Einbrüche der Wirklichkeit ins Spiel: Andreas Döhler, einer der erfreulichsten Neuzugänge im DT-Ensemble, zitiert zart und lakonisch Berichte aus den russischen Arbeits- und Straflagern in Sibirien, die Tschechow in seiner Großreportage "Die Insel Sachalin" festgehalten hat, darunter der Bericht einer Hinrichtung von neun Häftlingen. Döhler macht das großartig. Gerade weil er so leise, konzentriert, ohne jedes störende Dröhnen und wie im Selbstgespräch aus dem zaristischen Gulag berichtet, entfaltet der Text seine leisen Schockwirkungen. Spätestens an dieser Stelle öffnet sich der Horizont: Das Irrenhaus wird zum Spiegel der Welt.
Diese verlorenen Gestalten sind komisch und traurig, aber wirklich bitter und erschütternd sind die brutalen Einbrüche der Wirklichkeit ins Spiel: Andreas Döhler, einer der erfreulichsten Neuzugänge im DT-Ensemble, zitiert zart und lakonisch Berichte aus den russischen Arbeits- und Straflagern in Sibirien, die Tschechow in seiner Großreportage "Die Insel Sachalin" festgehalten hat, darunter der Bericht einer Hinrichtung von neun Häftlingen. Döhler macht das großartig. Gerade weil er so leise, konzentriert, ohne jedes störende Dröhnen und wie im Selbstgespräch aus dem zaristischen Gulag berichtet, entfaltet der Text seine leisen Schockwirkungen. Spätestens an dieser Stelle öffnet sich der Horizont: Das Irrenhaus wird zum Spiegel der Welt.
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Berliner Morgenpost
Gotscheff reduziert die Figuren auf sich selbst und inszeniert jeden in seinem eigenen Kosmos. Aber, und das ist die große charmante Idee des Abends, zu dem Ivan Panteleev die Spielfassung beisteuerte, hier wird nicht nur amputiert, nein, man versteht sich vor allem auf die Transplantation und Gotscheff und Panteleev vernähen die Stiche gekonnt: Das Patientenpersonal des Krankenzimmers Nr. 6 trägt zwar noch Züge der ursprünglichen Besatzung, ist aber vor allem ein munter zusammengewürfeltes Personenverzeichnis des Tschechowschen Gesamtwerkes.
Gotscheff reduziert die Figuren auf sich selbst und inszeniert jeden in seinem eigenen Kosmos. Aber, und das ist die große charmante Idee des Abends, zu dem Ivan Panteleev die Spielfassung beisteuerte, hier wird nicht nur amputiert, nein, man versteht sich vor allem auf die Transplantation und Gotscheff und Panteleev vernähen die Stiche gekonnt: Das Patientenpersonal des Krankenzimmers Nr. 6 trägt zwar noch Züge der ursprünglichen Besatzung, ist aber vor allem ein munter zusammengewürfeltes Personenverzeichnis des Tschechowschen Gesamtwerkes.
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Der Tagesspiegel
Tatsächlich lässt Gotscheffs Inszenierung keine kuscheligen Vereinnahmungsschlupflöcher: In Katrin Bracks kongenialem Bühnenbild - einer Installation aus unzähligen Scheinwerfern, die die Krankenzimmerinsassen bis in den letzten Gesichtswinkel hinein verfolgen und ausleuchten - verweigert das erstklassige Ensemble mit seinem präzisen Minimalismus jedwede voreilige Kumpanei. Fast wirkt es, als wolle Gotscheff dem Theater diese Figuren zurückgeben, die sich während ihrer erfolgreichen Bühnenkarriere tatsächlich oft genug in realistischem Befindlichkeitskitsch aufzulösen drohten.
Tatsächlich lässt Gotscheffs Inszenierung keine kuscheligen Vereinnahmungsschlupflöcher: In Katrin Bracks kongenialem Bühnenbild - einer Installation aus unzähligen Scheinwerfern, die die Krankenzimmerinsassen bis in den letzten Gesichtswinkel hinein verfolgen und ausleuchten - verweigert das erstklassige Ensemble mit seinem präzisen Minimalismus jedwede voreilige Kumpanei. Fast wirkt es, als wolle Gotscheff dem Theater diese Figuren zurückgeben, die sich während ihrer erfolgreichen Bühnenkarriere tatsächlich oft genug in realistischem Befindlichkeitskitsch aufzulösen drohten.
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neues deutschland
Es ist einer dieser kühlen, klug sezierenden Abende, mit einer jedesmal neu bei Gotscheff verblüffenden tableauartigen Raumaufteilung. Seine Seele trägt der an Heiner Müller geschulte Regisseur nicht vor sich her. Das Schaustück ist immer auch ein Denkstück, das auf die Klugheit der Schauspieler baut. Und sie überzeugen jeder für sich als Teil eines Gewebes aus Bewegung, Stillstand und Sprache. Formal zugespitzt, bis die Worte anders anfangen zu atmen. Das ist angewandte Textdeutung mit den Mitteln des Theaters.
Es ist einer dieser kühlen, klug sezierenden Abende, mit einer jedesmal neu bei Gotscheff verblüffenden tableauartigen Raumaufteilung. Seine Seele trägt der an Heiner Müller geschulte Regisseur nicht vor sich her. Das Schaustück ist immer auch ein Denkstück, das auf die Klugheit der Schauspieler baut. Und sie überzeugen jeder für sich als Teil eines Gewebes aus Bewegung, Stillstand und Sprache. Formal zugespitzt, bis die Worte anders anfangen zu atmen. Das ist angewandte Textdeutung mit den Mitteln des Theaters.
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Moskau
14. November 2010
14. November 2010
Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Weltall Erde Mensch
Eine unwahrscheinliche Reise von Alexander Eisenach und Ensemble
Regie: Alexander Eisenach
DT Bühne
19.00 - 22.40
BERLIN-PREMIERE
Mit englischen Übertiteln
Kammer
19.30 - 21.15
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse