
It Can´t Happen Here
nach dem Roman von Sinclair Lewis
Der fast vergessene Politroman des Literaturnobelpreisträgers Sinclair Lewis, It Can’t Happen Here, erlebt derzeit eine regelrechte Wiedergeburt. Geschrieben 1935 unter dem Eindruck der Machtergreifung Adolf Hitlers, erzählt Lewis die Geschichte des nicht für möglich gehaltenen Aufstiegs eines amerikanischen Polit-Outsiders und Populisten namens Buzz Windrip zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Windrip gewinnt die Wahl 1936 gegen Roosevelt und verwandelt die USA mit Unterstützung einer "Liga der Vergessenen Männer" binnen kürzester Zeit in eine Diktatur. Eines der ersten Opfer seiner Herrschaft ist neben der Unterwanderung der Justiz die Pressefreiheit, geschildert anhand des Zeitungsherausgebers Doremus Jessup, der unter den zunehmenden Repressalien zu leiden hat, zunächst auf dem Papier, dann körperlich…
Die verbreitete Meinung in den USA Mitte der dreißiger Jahre mit Blick auf die politischen Verhältnisse in Deutschland war: Das kann hier nicht passieren. Heute denken viele in Deutschland genau das mit Blick auf die USA.
Die verbreitete Meinung in den USA Mitte der dreißiger Jahre mit Blick auf die politischen Verhältnisse in Deutschland war: Das kann hier nicht passieren. Heute denken viele in Deutschland genau das mit Blick auf die USA.
Regie Christopher Rüping
Bühne Julian Marbach
Kostüme Lene Schwind
Musik Christoph Hart
Licht Thomas Langguth
Dramaturgie John von Düffel
Premiere
20. September 2017, Kammerspiele
20. September 2017, Kammerspiele
Camill JammalDoremus Jessup, Journalist

Wiebke MollenhauerSissy Jessup / Julian, ihr Verlobter

Felix GoeserBuzz Windrip

Michael GoldbergLee Sarason

Benjamin LillieOberst Haik

Matze PröllochsLive-Musik (Schlagzeug), Shad Ledue, der Gärtner

Doremus Jessup, Journalist
Sissy Jessup / Julian, ihr Verlobter
Buzz Windrip
Lee Sarason
Oberst Haik
Live-Musik (Schlagzeug), Shad Ledue, der Gärtner
Koblenz
1. und 2. September 2018
1. und 2. September 2018
Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
Regisseur Christopher Rüping inszeniert sein Stück in der ersten Hälfte als poppiges Wahlkampf-Musical mit Live-Schlagzeuger, laut und krachend. Buzz Windrip und seine beiden Berater tragen Tigermuster und Partyhüte. Sie sind Showmaster und Verführer. Das Publikum in den Kammerspielen des Deutschen Theaters ist von Anfang an Teil des Stückes, als "das Volk", das – als die Wahl gewonnen ist – sogar zur Wahlparty auf die Bühne gebeten wird, wo ein Hot-Dog-Wagen echte Hot Dogs verteilt.
Kaum sind Windrip und seine Leute an der Macht, errichten sie eine Diktatur. [...] Aus der knalligen Politsatire mit vielen witzigen Einfällen wird jetzt ein Drama. [...] Bis die Satire wieder die Oberhand gewinnt – als Windrips Ex-Berater die Macht übernimmt, im Stil eines dekadenten römischen Kaisers, und am Ende das Militär putscht – denn es geht immer noch eine Stufe schlimmer.
"It Can't Happen Here" ist genau das richtige Stück so kurz vor der Bundestagswahl. Unglaublicher Stoff aus dem Jahr 1935, der – Trump, Erdogan, die neue Rechte in Europa lassen grüßen – brandaktuell ist. Der Stoff könnte aktueller nicht sein: Ein Populist und Polit-Neuling schafft es mit seinen Hetzreden, Präsident der USA zu werden. Das, was heute so vertraut klingt, hat sich der Literatur-Nobelpreisträger Sinclair Lewis vor 80 Jahren ausgedacht, in seinem Roman "It Can't Happen Here". [...]
Regisseur Christopher Rüping inszeniert sein Stück in der ersten Hälfte als poppiges Wahlkampf-Musical mit Live-Schlagzeuger, laut und krachend. Buzz Windrip und seine beiden Berater tragen Tigermuster und Partyhüte. Sie sind Showmaster und Verführer. Das Publikum in den Kammerspielen des Deutschen Theaters ist von Anfang an Teil des Stückes, als "das Volk", das – als die Wahl gewonnen ist – sogar zur Wahlparty auf die Bühne gebeten wird, wo ein Hot-Dog-Wagen echte Hot Dogs verteilt.
Kaum sind Windrip und seine Leute an der Macht, errichten sie eine Diktatur. [...] Aus der knalligen Politsatire mit vielen witzigen Einfällen wird jetzt ein Drama. [...] Bis die Satire wieder die Oberhand gewinnt – als Windrips Ex-Berater die Macht übernimmt, im Stil eines dekadenten römischen Kaisers, und am Ende das Militär putscht – denn es geht immer noch eine Stufe schlimmer.
"It Can't Happen Here" ist genau das richtige Stück so kurz vor der Bundestagswahl. Unglaublicher Stoff aus dem Jahr 1935, der – Trump, Erdogan, die neue Rechte in Europa lassen grüßen – brandaktuell ist.
Die Handlung setzt im Wahlkampf ein. Da ist ein jovialer Typ mit markigen Sprüchen, Buzz Windrip. Felix Goeser spielt ihn – sehr gekonnt mit seinen Wählern, also dem Publikum flirtend – als Kumpeltypen von nebenan, als vor Energie strotzenden Selfmade-Mann.
Er macht eigentlich keinen Wahlkampf, sondern veranstaltet eine Party: Mal wird gerappt. Mal ein New Wave Konzert aufgeführt. Mal ertönt Actionfilm-Musik. Es ist erschreckend, wie emotional man auf die Musik reagiert und wie groß ihr manipulatorisches Potenzial ist. Das spürt man hier am eigenen Leib. Für jede Situation wird das passende Gefühlsregister gezogen. Dazu kommen andere Charme-Offensiven. Die Zuschauer werden – als Buzz Windrip die Wahl gewinnt – zu Hot Dogs und Limo eingeladen. In der Zwischenzeit verhängt der Chefstratege den Notstand und lässt 126 Abgeordnete verhaften. [...]
Am Anfang fordert Camill Jammal, der den Journalisten spielt, die Zuschauer auf, demonstrieren zu gehen und sich dem Rechtspopulismus entgegen zu stellen. Man denkt an die kommende Bundestagswahl. Plötzlich merkt man: Es geht um die Dreißigerjahre in den USA. Dieses Hin- und Herspringen zeigt, dass der Spruch "It can't appen here" nie und nirgendwo stimmt. Es kann immer und überall passieren, dass sich eine Demokratie abschafft. Das sind interessante Momente. Die Inszenierung ist merkwürdig disparat, hat tolle Momente. [...] Stärken hat sie im Handwerklichen: Es sind gute Schauspieler zu sehen, das Timing stimmt, die Theatermittel werden gekonnt gesetzt, vor allem die Musik. [...] Christopher Rüping, der als Regisseur eher für spielerische Neu- und Überschreibungen von Stoffen steht als für Werktreue, nimmt den Roman als Gerüst. Sechs Figuren bleiben in seiner entkernten Fassung übrig. [...]
Die Handlung setzt im Wahlkampf ein. Da ist ein jovialer Typ mit markigen Sprüchen, Buzz Windrip. Felix Goeser spielt ihn – sehr gekonnt mit seinen Wählern, also dem Publikum flirtend – als Kumpeltypen von nebenan, als vor Energie strotzenden Selfmade-Mann.
Er macht eigentlich keinen Wahlkampf, sondern veranstaltet eine Party: Mal wird gerappt. Mal ein New Wave Konzert aufgeführt. Mal ertönt Actionfilm-Musik. Es ist erschreckend, wie emotional man auf die Musik reagiert und wie groß ihr manipulatorisches Potenzial ist. Das spürt man hier am eigenen Leib. Für jede Situation wird das passende Gefühlsregister gezogen. Dazu kommen andere Charme-Offensiven. Die Zuschauer werden – als Buzz Windrip die Wahl gewinnt – zu Hot Dogs und Limo eingeladen. In der Zwischenzeit verhängt der Chefstratege den Notstand und lässt 126 Abgeordnete verhaften. [...]
Am Anfang fordert Camill Jammal, der den Journalisten spielt, die Zuschauer auf, demonstrieren zu gehen und sich dem Rechtspopulismus entgegen zu stellen. Man denkt an die kommende Bundestagswahl. Plötzlich merkt man: Es geht um die Dreißigerjahre in den USA. Dieses Hin- und Herspringen zeigt, dass der Spruch "It can't appen here" nie und nirgendwo stimmt. Es kann immer und überall passieren, dass sich eine Demokratie abschafft. Das sind interessante Momente.
Felix Goeser spielt mit vollem Rampen-Einsatz einen exaltierten Zyniker, der selbstironisch und launig fragt: Ist das hier Fashion oder Fascho? Erklärt dann mit voller Überzeugungskraft sein Konzept eines starken, großen Landes. Nimmt in rhetorischen Kunstgriffen die Zweifel an ihm selbst vorweg, reißt immer wieder Witze, von deren Niveau aus der autoritäre Gestus richtig trifft. Oder er röhrt rockstarreif ins Mikro, um seine Programmparolen so hirnnarkotisierend wie wirkungsvoll an den Mann zu bringen, bis ihm das Publikum den Szenenapplaus gewährt. [...]
Die komische Erspielung klammert aber den düsteren Ernst nie aus, nimmt ihn sich gerade zur Folie, um die Geschichte weiterzuerzählen – in Sprüngen, collagehaft, aber auch vielschichtig und weitergedacht. [...]
Dem Roman gewinnen der Regisseur und die Schauspieler trotz aller Übersättigung mit täglichen Trump-News, vier Tage vor der Bundestagswahl, eine nichts verharmlosende Erzählung darüber ab, wie Politiker zum Volk sprechen. Und damit durchkommen. Der Populist und der Intellektuelle, zwei Stimmen, zwei Pole einer Demokratie am Scheideweg. Um die Figuren Windrip und Jessup baut Christopher Rüping in den Kammerspielen des Deutschen Theaters seine Saisonauftakt-Inszenierung, die den Roman vor allem an jenen Stellen ausleuchtet, an denen zum Volk gesprochen wird. Oder genauer: ins Publikum als Adressaten. Rüping mischt diese verkappten Polit-Reden wirkungsvoll mit den Mitteln des Entertainment und der Volksfestkultur. Ein musikalischer Soundgeber verstärkt die Stimmungen: Matze Pröllochs untermalt quasi als weitere Hauptperson am Schlagzeug suggestiv bedrohliche Szenen. Sein Trommelwirbel steigert sich aggressiv, wenn Windrup im Bühnen-Nebel erstmals auftritt: eine Silhouette, halb Popstar, halb schwarzer Mann.
Felix Goeser spielt mit vollem Rampen-Einsatz einen exaltierten Zyniker, der selbstironisch und launig fragt: Ist das hier Fashion oder Fascho? Erklärt dann mit voller Überzeugungskraft sein Konzept eines starken, großen Landes. Nimmt in rhetorischen Kunstgriffen die Zweifel an ihm selbst vorweg, reißt immer wieder Witze, von deren Niveau aus der autoritäre Gestus richtig trifft. Oder er röhrt rockstarreif ins Mikro, um seine Programmparolen so hirnnarkotisierend wie wirkungsvoll an den Mann zu bringen, bis ihm das Publikum den Szenenapplaus gewährt. [...]
Die komische Erspielung klammert aber den düsteren Ernst nie aus, nimmt ihn sich gerade zur Folie, um die Geschichte weiterzuerzählen – in Sprüngen, collagehaft, aber auch vielschichtig und weitergedacht. [...]
Dem Roman gewinnen der Regisseur und die Schauspieler trotz aller Übersättigung mit täglichen Trump-News, vier Tage vor der Bundestagswahl, eine nichts verharmlosende Erzählung darüber ab, wie Politiker zum Volk sprechen. Und damit durchkommen.
Im Ganzen gelingt es dem Regisseur, den Entertainmentcharakter, den politische Akteure heute ihrem Handeln und Auftreten verleihen, treffend zu karikieren und als Analogie zu TV-Unterhaltungsformaten zu entlarven. Scharf beobachtet und umgesetzt ist auch der Versuch der Rechtsextremen, sich mit widersprüchlichen Aussagen der Stigmatisierung zu entziehen und gleichzeitig gemäßigt konservative Wähler anzusprechen. Am Ende, gibt General Haik zu, ist es "Text, alles nur Text" und weist damit kritisch auf sämtliche politische Rhetorik, gleich welcher Richtung.
"It Can’t Happen Here" ist eine sehenswerte und wichtige Inszenierung, die dem Publikum seine Verantwortung für die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen seines Landes vor Augen führt. Im Mindesten wäre sie auch ein Appell, dem Wunsch nach einer demokratischen, weltoffenen Gesellschaft durch die Abgabe seiner Stimme am kommenden Wahl-Sonntag Ausdruck zu verleihen. Regisseur Christopher Rüping und Dramaturg John von Düffel haben diesen fast vergessenen Text zur richtigen Stunde für die Bühne adaptiert. [...]
Im Ganzen gelingt es dem Regisseur, den Entertainmentcharakter, den politische Akteure heute ihrem Handeln und Auftreten verleihen, treffend zu karikieren und als Analogie zu TV-Unterhaltungsformaten zu entlarven. Scharf beobachtet und umgesetzt ist auch der Versuch der Rechtsextremen, sich mit widersprüchlichen Aussagen der Stigmatisierung zu entziehen und gleichzeitig gemäßigt konservative Wähler anzusprechen. Am Ende, gibt General Haik zu, ist es "Text, alles nur Text" und weist damit kritisch auf sämtliche politische Rhetorik, gleich welcher Richtung.
"It Can’t Happen Here" ist eine sehenswerte und wichtige Inszenierung, die dem Publikum seine Verantwortung für die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen seines Landes vor Augen führt. Im Mindesten wäre sie auch ein Appell, dem Wunsch nach einer demokratischen, weltoffenen Gesellschaft durch die Abgabe seiner Stimme am kommenden Wahl-Sonntag Ausdruck zu verleihen.
Die sehr frei nach dem Buch entstandene Inszenierung am DT muss gar nicht den aktuellen US-Präsidenten beim Namen nennen, um die Parallelen herauszustellen. Das weiß man nach zwei Minuten. Aber weiß man auch, was zu tun und lassen ist? In einer Umdrehung der Roman-Perspektive geht der Blick "von der anderen Seite des großen Wassers" auf uns und unsere Demokratie. Auf ihre Fragilität, auf die Verführbarkeit jedes Einzelnen.
Was muss denn noch passieren, dass wir aufstehen? Die Inszenierung meint das wörtlich, sie ist wie ein Faustschlag, und ob man ihm ausweicht oder sich von ihm treffen lässt, hat jeder für sich zu klären. Es liegt am Einzelnen, was wirklich wird.
Die erste Premiere der Saison am DT bringt also – treffsicher kurz vor der Wahl platziert – eine Parabel auf den aufhaltsamen Aufstieg des Populismus. Üblicherweise werden Populisten gerade im Theater der Lächerlichkeit preisgegeben und gleichzeitig dämonisiert. Hier nicht. [...]
Wiebke Mollenhauer lässt ihre Sissy, die Tochter Jessups, sagen, in Zeiten wie diesen müsse man handeln. Ja. Nur sagen das Leute wie Windrip und Sarason auch. Und jetzt? Die Frage nimmt das DT mit in die Spielzeit – und das Publikum mit nach Hause. Danke. Von Anfang an hat die Inszenierung es umstandslos darauf abgesehen, die Widerstandskraft von uns Zuschauern zu testen. Uns zu provozieren, uns aus unserer Bequemlichkeit und Bescheidwisserei herauszureißen. [...] Zur Halbzeit dieser bemerkenswerten Zweieinhalbstunden-Veranstaltung, nachdem ein gewisser Buzz Windrip entgegen aller Wahrscheinlichkeit zum 27. Präsidenten der USA gewählt wurde, und mit "dem Volk" jetzt also gefeiert werden soll, werden gar frische Hot Dogs angeboten, um uns auf die Bühne zu locken. [...]
Die sehr frei nach dem Buch entstandene Inszenierung am DT muss gar nicht den aktuellen US-Präsidenten beim Namen nennen, um die Parallelen herauszustellen. Das weiß man nach zwei Minuten. Aber weiß man auch, was zu tun und lassen ist? In einer Umdrehung der Roman-Perspektive geht der Blick "von der anderen Seite des großen Wassers" auf uns und unsere Demokratie. Auf ihre Fragilität, auf die Verführbarkeit jedes Einzelnen.
Was muss denn noch passieren, dass wir aufstehen? Die Inszenierung meint das wörtlich, sie ist wie ein Faustschlag, und ob man ihm ausweicht oder sich von ihm treffen lässt, hat jeder für sich zu klären. Es liegt am Einzelnen, was wirklich wird.
Die erste Premiere der Saison am DT bringt also – treffsicher kurz vor der Wahl platziert – eine Parabel auf den aufhaltsamen Aufstieg des Populismus. Üblicherweise werden Populisten gerade im Theater der Lächerlichkeit preisgegeben und gleichzeitig dämonisiert. Hier nicht. [...]
Wiebke Mollenhauer lässt ihre Sissy, die Tochter Jessups, sagen, in Zeiten wie diesen müsse man handeln. Ja. Nur sagen das Leute wie Windrip und Sarason auch. Und jetzt? Die Frage nimmt das DT mit in die Spielzeit – und das Publikum mit nach Hause. Danke.
Man ist einerseits ständig mit einem Abgleich zwischen der Fiktion auf der Bühne und der Realität beschäftigt, wird andererseits den Mitteln von Suggestion und Manipulation ausgesetzt, die diese Schauspieler, wie Felix Goeser als Windrip und Michael Goldberg als Lee Sarason, mit sehr viel Charme beherrschen. Emotional ist man in der Klemme. Und hätte das Theater vielleicht gerne etwas weniger realitätsnah. Erst recht in der Schlussszene, inzwischen ist die Geschichte bei dem Militärdiktator General Haik als Windrips Nachfolger angekommen, in einem zynischen Song darlegt, dass jetzt nur noch ein Tyrannenmord helfen kann. [...] Also, ziemlich psychoaktiv ist die Inszenierung auf jeden Fall. Lewis' Roman stammt von 1935 und geht in der Fiktion der Frage nach, ob ein faschistischer Präsident wie in Deutschland und Italien auch in den USA möglich wäre. [...] Klar, dass Lewis' Roman, wiederaufgelegt im Aufbau Verlag, heute, nach dem Aufstieg Donald Trumps, geradezu unheimlich prophetisch wirkt. Das Deutsche Theater, das in seinem Spielplan viele Stoffe aufgenommen hat, um damit unterschiedliche Blicke auf die Konflikte der Gegenwart zu werfen, hat damit eine interessante Vorlage gewählt. [...]
Man ist einerseits ständig mit einem Abgleich zwischen der Fiktion auf der Bühne und der Realität beschäftigt, wird andererseits den Mitteln von Suggestion und Manipulation ausgesetzt, die diese Schauspieler, wie Felix Goeser als Windrip und Michael Goldberg als Lee Sarason, mit sehr viel Charme beherrschen. Emotional ist man in der Klemme. Und hätte das Theater vielleicht gerne etwas weniger realitätsnah. Erst recht in der Schlussszene, inzwischen ist die Geschichte bei dem Militärdiktator General Haik als Windrips Nachfolger angekommen, in einem zynischen Song darlegt, dass jetzt nur noch ein Tyrannenmord helfen kann. [...] Also, ziemlich psychoaktiv ist die Inszenierung auf jeden Fall.
Der Regisseur problematisiert diese Konstellation geschickt, indem er Theorie und Praxis, Engagement und Desinteresse gegeneinander stellt und formal unterstreicht. [...] Mit hinreißender Fantasie baut Rüping ein bestürzendes Horrorkabinett auf, in dem jeder ausspioniert wird, Menschen plötzlich verschwinden, die Medien abgeschafft sind. Gezeigt wird das mit Esprit und Raffinesse. Diese Geschichte, will Rüping sagen, geht uns alle an. Wir können uns nicht distanzieren, das hat schon 1933 nicht geklappt. Seine Inszenierung ist spektakulär gelungen. Furcht und Schrecken verbreitet diese Adaption des 1935 erschienenen Romans von Sinclair Lewis durch dessen bedrückende Hellsichtigkeit und satirische Unbeirrbarkeit. [...] Rüping organisiert die Aufführung als Dialog zwischen Ensemble und Publikum, schließlich geht es um Populismus. Und weil es um Populismus geht, reden letztlich doch einzig die Strippenzieher auf der Bühne, während die anderen im Saal mit vegetarischen Hot Dogs und Limonade abgespeist werden. Denn als der von Felix Goeser hinreißend abstoßend, dabei überzeugend volkstümlich gespielte Buzz seine Wahlparty feiert, werden ein paar Zuschauer zu Speis und Trank auf die Bühne gebeten. Das ist nicht peinlich, sondern stimmt genau, so wie sich auch die Reden von Buzz und seinem Berater Lee (hervorragend: Michael Goldberg) auf sehr intelligente Weise unverblümt dem Volk anbiedern. Ähnlich wendet sich der Journalist Jessup (eindringlich: Camill Jammal) direkt an die Leute, versucht sie davon zu überzeugen, endlich Widerstand zu leisten. Aber niemand folgt ihm.
Der Regisseur problematisiert diese Konstellation geschickt, indem er Theorie und Praxis, Engagement und Desinteresse gegeneinander stellt und formal unterstreicht. [...] Mit hinreißender Fantasie baut Rüping ein bestürzendes Horrorkabinett auf, in dem jeder ausspioniert wird, Menschen plötzlich verschwinden, die Medien abgeschafft sind. Gezeigt wird das mit Esprit und Raffinesse. Diese Geschichte, will Rüping sagen, geht uns alle an. Wir können uns nicht distanzieren, das hat schon 1933 nicht geklappt.
Rüping (und Hauptdarsteller Felix Goeser) bedienen auf widerwärtigste Weise all die Verführungsstrategien, denen geschätzt jeder zweite von uns nur zu gern erliegen würde. Würstchen bei der Siegesfeier der Wahlkämpfer nehmen wir gern mit, egal wie viel Gift hineingemischt ist. Wer hätte nicht gern einen wie Goeser als Bundeskanzler? So perfide und brachial (und dabei natürlich auch aufklärerisch!) war Theater lange nicht mehr. [...]
Dieser Abend geht ans Eingemachte. Er fragt: Spielen wir mit? Und: Was tun? Raus auf die Straße, mit der Waffe in der Hand? Wann hat das Theater zuletzt solche Fragen gestellt? Und sie womöglich sogar ernst gemeint... Vor dem Theater des Grauens, wie es das Deutsche Theater hier ahnen lässt, sieht alles andere wie Kleinkram aus.
"It can't happen here" heißt der Abend am Deutschen Theater, den Dramaturg John von Düffel und Regisseur Christopher Rüping aus jenem Roman gebastelt haben, dem der amerikanische Autor Sinclair Lewis 1935 diesen Titel gab und in dem er eine Karriere wie die von Adolf Hitler aus Braunau am Inn auch für die USA herbeiimaginiert. [...]
Rüping (und Hauptdarsteller Felix Goeser) bedienen auf widerwärtigste Weise all die Verführungsstrategien, denen geschätzt jeder zweite von uns nur zu gern erliegen würde. Würstchen bei der Siegesfeier der Wahlkämpfer nehmen wir gern mit, egal wie viel Gift hineingemischt ist. Wer hätte nicht gern einen wie Goeser als Bundeskanzler? So perfide und brachial (und dabei natürlich auch aufklärerisch!) war Theater lange nicht mehr. [...]
Dieser Abend geht ans Eingemachte. Er fragt: Spielen wir mit? Und: Was tun? Raus auf die Straße, mit der Waffe in der Hand? Wann hat das Theater zuletzt solche Fragen gestellt? Und sie womöglich sogar ernst gemeint... Vor dem Theater des Grauens, wie es das Deutsche Theater hier ahnen lässt, sieht alles andere wie Kleinkram aus.