
In Zeiten des abnehmenden Lichts
von Eugen Ruge
Für die Bühne bearbeitet von Eugen Ruge in der Fassung des Deutschen Theaters Berlin
"Hör mir zu. Auch wenn du nicht verstehst, was ich sage. Ich werde das Geld aus deinem Safe nehmen, das du sowieso nicht mehr brauchst, und nach Mexiko fliegen", sagt Alexander zu seinem demenzkranken Vater Kurt Umnitzer, einst einer der produktivsten Historiker der untergegangenen DDR. Doch auch für seinen Sohn ist es die letzte Flucht: Alexander ist krebskrank, inoperabel. Und seine Reise nach Mexiko führt ihn nicht nur in ein Anderswo, sondern zurück an die Anfänge seiner Familiengeschichte, die mit den im mexikanischen Exil lebenden Großeltern Wilhelm und Charlotte und ihrer Rückkehr in die DDR beginnt.
Eugen Ruge erzählt in seinem von ihm selbst dramatisierten Roman Zeitgeschichte ganz familiär. Ihm gelingt auf diese Weise ein intimer, sehr persönlicher Einblick in die Lebensgefühle und Prägungen verschiedener Generationen während der wechselvollen 50 Jahre von 1952 bis 2001 auf überwiegend ostdeutschem Boden. Dabei bleibt er immer nah an seinen Figuren: den überzeugten Altkommunisten Wilhelm und Charlotte; ihrem Sohn Kurt, der nach dem Tod Stalins aus einem sowjetischen Arbeitslager entlassen wird, dieses Kapitel aber als Geschichtsprofessor in Ost-Berlin lange nicht berührt; seiner russischen Frau Irina, die mit ihrer Mutter Baba Nadja in die innerfamiliären Kämpfe mit den Schwiegereltern zieht, während ihr Sohn Alexander vor allem flüchtet – vor dem Elternhaus, vor seinen wechselnden Frauen und seinem Sohn, vor dem politischen System. Jede dieser Figuren lebt in ihrer eigenen Welt, hat ihre Version der familiären und historischen Ereignisse – Ansichten, die bei jedem Anlass aufeinanderprallen. Und diese Anlässe kommen so sicher wie Weihnachten und runde Geburtstage.
"Hör mir zu. Auch wenn du nicht verstehst, was ich sage. Ich werde das Geld aus deinem Safe nehmen, das du sowieso nicht mehr brauchst, und nach Mexiko fliegen", sagt Alexander zu seinem demenzkranken Vater Kurt Umnitzer, einst einer der produktivsten Historiker der untergegangenen DDR. Doch auch für seinen Sohn ist es die letzte Flucht: Alexander ist krebskrank, inoperabel. Und seine Reise nach Mexiko führt ihn nicht nur in ein Anderswo, sondern zurück an die Anfänge seiner Familiengeschichte, die mit den im mexikanischen Exil lebenden Großeltern Wilhelm und Charlotte und ihrer Rückkehr in die DDR beginnt.
Eugen Ruge erzählt in seinem von ihm selbst dramatisierten Roman Zeitgeschichte ganz familiär. Ihm gelingt auf diese Weise ein intimer, sehr persönlicher Einblick in die Lebensgefühle und Prägungen verschiedener Generationen während der wechselvollen 50 Jahre von 1952 bis 2001 auf überwiegend ostdeutschem Boden. Dabei bleibt er immer nah an seinen Figuren: den überzeugten Altkommunisten Wilhelm und Charlotte; ihrem Sohn Kurt, der nach dem Tod Stalins aus einem sowjetischen Arbeitslager entlassen wird, dieses Kapitel aber als Geschichtsprofessor in Ost-Berlin lange nicht berührt; seiner russischen Frau Irina, die mit ihrer Mutter Baba Nadja in die innerfamiliären Kämpfe mit den Schwiegereltern zieht, während ihr Sohn Alexander vor allem flüchtet – vor dem Elternhaus, vor seinen wechselnden Frauen und seinem Sohn, vor dem politischen System. Jede dieser Figuren lebt in ihrer eigenen Welt, hat ihre Version der familiären und historischen Ereignisse – Ansichten, die bei jedem Anlass aufeinanderprallen. Und diese Anlässe kommen so sicher wie Weihnachten und runde Geburtstage.
Uraufführung 28. Februar 2013
Christian GrashofWilhelm Powileit

Gabriele HeinzCharlotte Powileit

Margit BendokatNadjéshda Iwánowna

Bernd StempelKurt Umnitzer (Charlottes Sohn, Wilhelms Stiefsohn)

Judith HofmannIrina Umnitzer (Kurts Ehefrau, Tochter von Nadjéshda Iwánowna)

Alexander KhuonAlexander Umnitzer (Sohn von Kurt und Irina)

Lasse Stadelmann / Lenz LengersMarkus (Sohn von Alexander und Melitta)
Elisabeth MüllerMelittta / Catrin
Markus GrafMexikaner / Adrian / Günter Habesatt / Schlinger / Stellvertreter des Bezirkssekretärs

Wilhelm Powileit
Charlotte Powileit
Nadjéshda Iwánowna
Kurt Umnitzer (Charlottes Sohn, Wilhelms Stiefsohn)
Irina Umnitzer (Kurts Ehefrau, Tochter von Nadjéshda Iwánowna)
Alexander Umnitzer (Sohn von Kurt und Irina)
Lasse Stadelmann / Lenz Lengers
Markus (Sohn von Alexander und Melitta)
Melittta / Catrin
Mexikaner / Adrian / Günter Habesatt / Schlinger / Stellvertreter des Bezirkssekretärs
Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
Kurts "Mutti": Gabriele Heinz. Sie zeigt beeindruckend die Euphorie frühen DDR-Glücks, zeichnet schwungvoll die Emanzipationskraft der einflussreichen Literaturkritiken nach, spielt den unmerklichen Wechsel ins eitle kulturpolitische Machtgebaren, und sie kommt erschüttert zur eisiger Ruhe eines Hasses, der dem eigenen Mann Wilhelm gilt. Bernd Stempel gibt Kurt, jenen einen Sohn der das Lager überlebte. Der Geschichtsforscher an der Seite einer russischen Trinkerin (Judith Hofmann). Aufstiegsbewusst. Zweifelnd – und doch so sicher im Kalkül, wie weit man im Parteistaat gehen kann, um als kritisch und loyal zugleich zu gelten. Schlimmste Art der Selbstverstümmelung. Man redet sich ein, sie fände nicht statt. Stempel ist großartig in seiner Offenbarung, aus wie vielen Weichteilen ein Mensch besteht, wenn er Selbstverleugnung und Selbstachtung in Balance halten will.
Kurts "Mutti": Gabriele Heinz. Sie zeigt beeindruckend die Euphorie frühen DDR-Glücks, zeichnet schwungvoll die Emanzipationskraft der einflussreichen Literaturkritiken nach, spielt den unmerklichen Wechsel ins eitle kulturpolitische Machtgebaren, und sie kommt erschüttert zur eisiger Ruhe eines Hasses, der dem eigenen Mann Wilhelm gilt.
Und schließlich Alexander Khuon als verlorener Sohn und Enkel Sascha, der schier sprachlos vor Staunen und Entsetzen über alle Lügen, alles Leid und Elend wie ein wundersamer Zausel im abgewrackten Che-Guevara-Look untröstlich, glücklos und sterbenskrank durch alle Szenen geistert. Für ihn sind alle Lichter ausgegangen. Christian Grashof tobt schon am Rande der Karikatur als Stalins letzte Waffe, Gabriele Heinz als seine Frau Charlotte ist das energsiche Muttertier. Als ihr Sohn Kurt ganz groß tragikomisch Bernd Stempel, der die Fäuste nur heimlich in der Tasche ballt, dazu Judith Hofmann, seine Frau Irina, als Wrack des Alkohols nebst ihrer Mutter, die Margit Bendokat als weltweise summende und singende Babuschka unvergesslich macht.
Und schließlich Alexander Khuon als verlorener Sohn und Enkel Sascha, der schier sprachlos vor Staunen und Entsetzen über alle Lügen, alles Leid und Elend wie ein wundersamer Zausel im abgewrackten Che-Guevara-Look untröstlich, glücklos und sterbenskrank durch alle Szenen geistert. Für ihn sind alle Lichter ausgegangen.
Schauspielerisch ist diese Springerei sehr herausfordernd. Mal muss man minutenlang anwesend-abwesend herumstehen und ist mit Nicht-Hinhören und Nicht-Bemerktwerden beschäftigt. Dann wieder sind happige Einfühl-Sprints nötig. Aber wir sind im Deutschen Theater, die können das. Diese Gleichzeitigkeit verschiedener Erzählebenen hat das Theater der Literatur voraus, und Kimmig spielt den Vorteil lässig aus. Es ist immer wieder erstaunlich, was man als Zuschauer alles mitmacht, ohne die Situation zu verlieren: Wenn das Figurengespräch mitten im Satz zum inneren Monolog umschaltet. Oder wenn die Szene von Berlin nach Mexiko und ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit springt. (...)
Schauspielerisch ist diese Springerei sehr herausfordernd. Mal muss man minutenlang anwesend-abwesend herumstehen und ist mit Nicht-Hinhören und Nicht-Bemerktwerden beschäftigt. Dann wieder sind happige Einfühl-Sprints nötig. Aber wir sind im Deutschen Theater, die können das.