
Dieses Kind
von Joël Pommerat
Eine Fünfjährige siezt ihren eigenen Vater und weiß nicht, ob sie traurig sein wird, wenn sie ihn jetzt zum letzten Mal sieht. Eine Mutter redet ihrer Tochter ein, dass sie unglücklich werden wird, weil sie anders ist, als die Mutter sie sich gewünscht hat. Eine junge Frau verschenkt ihr Neugeborenes an ein älteres Ehepaar, weil sie das Beste für es will. Eine Mutter muss eine Leiche identifizieren, die ihr Kind sein könnte. Ein Sohn gesteht seinem Vater ein ganz anderer Vater sein zu wollen, damit sein Sohn ihn ohne Angst ansehen kann. Eine Mutter bittet ihre Tochter um Verzeihung für ihre Härte. Die Tochter bittet sie zu gehen.
Keine Beziehung ist so existentiell, prägend, so tief- und auch abgründig wie die zwischen Eltern und Kindern. Sie steht am Beginn und begleitet uns lebenslang. Ideologisch aufgeladen mit Heilserwartungen und Imperativen werden stets die besten Absichten behauptet: Du sollst Vater und Mutter ehren. Du sollst eine gute Mutter sein. Ein Kind soll dich glücklich machen. Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Kinder geben dem Leben Sinn. Aus dieser Fallhöhe beziehen die 10 dichten, präzise komponierten Szenen von Joël Pommerat ihre emotionale Wucht. Auf ihr gründen sich die Unerbittlichkeit der Vorwürfe, die Unverzeihlichkeit der Verletzungen aber auch die Unnachgiebigkeit, mit der man nicht voneinander lassen kann.
Die Regisseurin Lily Sykes hat das aufwühlende Beziehungsmosaik, in dem sich Macht und Ohnmacht stets überraschend verschieben, mit einem Vier-Generationen Ensemble aus Kindern, Jugendlichen und Schauspielern des DT inszeniert.
Keine Beziehung ist so existentiell, prägend, so tief- und auch abgründig wie die zwischen Eltern und Kindern. Sie steht am Beginn und begleitet uns lebenslang. Ideologisch aufgeladen mit Heilserwartungen und Imperativen werden stets die besten Absichten behauptet: Du sollst Vater und Mutter ehren. Du sollst eine gute Mutter sein. Ein Kind soll dich glücklich machen. Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Kinder geben dem Leben Sinn. Aus dieser Fallhöhe beziehen die 10 dichten, präzise komponierten Szenen von Joël Pommerat ihre emotionale Wucht. Auf ihr gründen sich die Unerbittlichkeit der Vorwürfe, die Unverzeihlichkeit der Verletzungen aber auch die Unnachgiebigkeit, mit der man nicht voneinander lassen kann.
Die Regisseurin Lily Sykes hat das aufwühlende Beziehungsmosaik, in dem sich Macht und Ohnmacht stets überraschend verschieben, mit einem Vier-Generationen Ensemble aus Kindern, Jugendlichen und Schauspielern des DT inszeniert.
Regie Lily Sykes
Bühne Jelena Nagorni
Kostüme Linda Tiebel
Musik Ingo Schröder
Dramaturgie Birgit Lengers
Premiere 21. Februar 2014
Gabriele Heinz

Katrin Klein

Bernd Moss

Bernd Stempel

Philipp Djokic

Maike Knirsch

Lenz Lengers

Luzie Priegann

Gabriele Heinz, Katrin Klein, Bernd Moss, Bernd Stempel, Philipp Djokic, Maike Knirsch, Lenz Lengers, Luzie Priegann

Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
Lily Sykes versteht es, noch mehr, als das in dem Stückgerüst von Pommerat angelegt ist, einzelne Szenen gerade auch durch die Besetzung der Rollen zueinander in Beziehung zu setzen. So spielt Maike Knirsch in der Eingangsszene eine junge Schwangere, die sich vornimmt, sich selbst, ihr ganzes Leben zu ändern, das Kind soll stolz sein, sie zur Mutter zu haben. In einer späteren Szene spielt die Darstellerin schreiend und zugleich beruhigend (beides:) eine Mutter u n d ihr Neugeborenes. Und am Ende ist sie es, wiederum eine junge Mutter, die mit ihrem Leben eben gerade nicht zurechtkommt und deshalb ihr Kind einem alten Ehepaar schenken will. (...)
Die kleine Box ist jetzt genau der richtige Ort, die Besetzung ist treffend. Auf der winzigen Bühne bringt es die Regie sogar fertig, ein mobiles Bühnenbild-Gerüst kreisen zu lassen. Vor allem aber nimmt Lily Sykes dem Stück seinen strengen Demonstrationscharakter. Das Deutsche Theater spricht in seiner Ankündigung von einem "aufwühlenden Beziehungsmosaik". Mal davon abgesehen, ob Mosaiken aufwühlen können – die mit Einsatz gespielte Inszenierung trifft doch einen starken Nerv, ohne darauf herumzubohren. Es wirkt in dieser Inszenierung keineswegs als oberflächlicher Effekt, dass hier professionelle Schauspieler mit jungen Laien, Erwachsene und Kinder gemeinsam auf der Bühne stehen. Die britische Regisseurin Lily Sykes bringt es mit einiger Leichtigkeit fertig, dass die verschiedenen Generationen miteinander buchstäblich ins Spiel kommen. Und sie ist so geschickt, ihren Darstellern nicht nur Naturton abzuverlangen, sondern einzelne der zehn Szenen satirisch oder surreal wirken zu lassen, ihnen damit eine gewisse Zeichenhaftigkeit über den direkten Vorgang hinaus zu geben. (...)
Lily Sykes versteht es, noch mehr, als das in dem Stückgerüst von Pommerat angelegt ist, einzelne Szenen gerade auch durch die Besetzung der Rollen zueinander in Beziehung zu setzen. So spielt Maike Knirsch in der Eingangsszene eine junge Schwangere, die sich vornimmt, sich selbst, ihr ganzes Leben zu ändern, das Kind soll stolz sein, sie zur Mutter zu haben. In einer späteren Szene spielt die Darstellerin schreiend und zugleich beruhigend (beides:) eine Mutter u n d ihr Neugeborenes. Und am Ende ist sie es, wiederum eine junge Mutter, die mit ihrem Leben eben gerade nicht zurechtkommt und deshalb ihr Kind einem alten Ehepaar schenken will. (...)
Die kleine Box ist jetzt genau der richtige Ort, die Besetzung ist treffend. Auf der winzigen Bühne bringt es die Regie sogar fertig, ein mobiles Bühnenbild-Gerüst kreisen zu lassen. Vor allem aber nimmt Lily Sykes dem Stück seinen strengen Demonstrationscharakter. Das Deutsche Theater spricht in seiner Ankündigung von einem "aufwühlenden Beziehungsmosaik". Mal davon abgesehen, ob Mosaiken aufwühlen können – die mit Einsatz gespielte Inszenierung trifft doch einen starken Nerv, ohne darauf herumzubohren.
... Regisseurin Lily Sykes zeigt viel Gespür für die Kraft der Pommerat’schen Dialoge, die mit ein paar Sätzen zum Konflikt vordringen. Dass Kinder und Halberwachsene mitspielen, wirft den Zuschauer auf interessante Weise hin und her: Hier die noch ungehobelte Künstlichkeit der Laien, da die abgeschliffene Echtigkeit der mittelsicheren Bühnenroutiniers Bernd Moss, Katrin Klein, Bernd Stempel und Gabriele Heinz − in Maike Knirschs Schreien glühen diese Widersprüche des Theaters durch. Mit lustvollem, schiefem Grinsen schwelgt die beunruhigend direkte, offennervige, noch nicht endmontierte Jungschauspielerin Maike Knirsch in Rachefantasien und Kraftträumen. Mit dem Glück des kommenden Kindes will sie ihre Mutter im Muttersein übertrumpfen: „das wird sie fertig machen. das wird sie nicht verkraften.“Als sie das Kind − ein Stoffbündel − dann in den Armen hält, schreit sie selbst wie ein Neugeborenes. Es scheint so, dass Maike Knirsch nicht lange in ihrer Seele nach diesen vorsprachlichen Verlassenheits-, Weltschmerz- und Weltangsttönen suchen muss. Sie klingen so überzeugend, dass man sich fragt, warum man eigentlich jemals selbst aufgehört hat, wie ein Säugling die Welt anzuschreien. (...)
... Regisseurin Lily Sykes zeigt viel Gespür für die Kraft der Pommerat’schen Dialoge, die mit ein paar Sätzen zum Konflikt vordringen. Dass Kinder und Halberwachsene mitspielen, wirft den Zuschauer auf interessante Weise hin und her: Hier die noch ungehobelte Künstlichkeit der Laien, da die abgeschliffene Echtigkeit der mittelsicheren Bühnenroutiniers Bernd Moss, Katrin Klein, Bernd Stempel und Gabriele Heinz − in Maike Knirschs Schreien glühen diese Widersprüche des Theaters durch.