Die stillen Trabanten

von Clemens Meyer
Musik Miles Perkin
Choreografie Denis Kooné Kuhnert
Dramaturgie Juliane Koepp
Uraufführung
11. November 2018, Kammerspiele
Alexander Khuon
Maike Knirsch
Božidar Kocevski
Peter Kurth
Anja Schneider
Katrin Wichmann
Deutschlandfunk Kultur
Matthias Dell, 11.11.2018
Der Autor Clemens Meyer ist preisgekrönt, jetzt hat der Regisseur Armin Petras seine Geschichten auf die Bühne gebracht. Das Stück "Die stillen Trabanten" basiert auf sechs Geschichten des Leipziger Schriftstellers.

Es geht um einsame Menschen, etwa um einen Wachmann, der an einem Ausländerwohnheim glaubt eine verflossene Jugendliebe wiederzuerkennen. Oder eine Zugreinigerin, die in einer Bar eine Friseurin kennenlernt. [...] Im Gegensatz zu den Erzählungen, die Trübsinn und Melancholie verbreiten, gehe es auf der Bühne sehr wild zu.
Der Autor Clemens Meyer ist preisgekrönt, jetzt hat der Regisseur Armin Petras seine Geschichten auf die Bühne gebracht. Das Stück "Die stillen Trabanten" basiert auf sechs Geschichten des Leipziger Schriftstellers.

Es geht um einsame Menschen, etwa um einen Wachmann, der an einem Ausländerwohnheim glaubt eine verflossene Jugendliebe wiederzuerkennen. Oder eine Zugreinigerin, die in einer Bar eine Friseurin kennenlernt. [...] Im Gegensatz zu den Erzählungen, die Trübsinn und Melancholie verbreiten, gehe es auf der Bühne sehr wild zu.
nachtkritik.de
Elena Philipp, 11.11.2018
Welcher Reichtum in Meyers Kurzgeschichten steckt, zeigt sich in der zweiten von sechs Szenen, "Späte Ankunft". Christa, die Züge reinigt, lernt in der Bahnhofskneipe die Friseurin Birgitt kennen, sie kommen einander näher, befreunden sich – bis Birgitt nicht mehr zur Arbeit erscheint. Simpel die Story, komplex die Figuren, denen Clemens Meyer in Nebenbemerkungen biographische Tiefe und emotionalen Raum verleiht.

So genau wie Meyer den Text arbeitet Petras auch die Bühnenszene mit Katrin Wichmann und Anja Schneider aus. Verknappt die Dialoge – "Hast du Kinder?" "Tochter. Berlin. Du?" –, die, trotz Verkürzung wie glaubhafte Gesprächsäußerungen klingen.

[...] Wichmann wie Schneider können auch komisch, ohne das Krachige zu übertreiben – wenn sich Schneiders Birgitt nach dem schultersteifen Abtanzen zu "Lady in Black", das Miles Perkin live vom Bühnenrand einspielt, die schmerzende Hüfte hält, oder wenn bei Christas Besuch im Friseursalon statt des Haarschnitts ein von ungläubig-aufgeregtem Gekicher begleitetes erotisches Auszieh-Gerangel stattfindet.
Welcher Reichtum in Meyers Kurzgeschichten steckt, zeigt sich in der zweiten von sechs Szenen, "Späte Ankunft". Christa, die Züge reinigt, lernt in der Bahnhofskneipe die Friseurin Birgitt kennen, sie kommen einander näher, befreunden sich – bis Birgitt nicht mehr zur Arbeit erscheint. Simpel die Story, komplex die Figuren, denen Clemens Meyer in Nebenbemerkungen biographische Tiefe und emotionalen Raum verleiht.

So genau wie Meyer den Text arbeitet Petras auch die Bühnenszene mit Katrin Wichmann und Anja Schneider aus. Verknappt die Dialoge – "Hast du Kinder?" "Tochter. Berlin. Du?" –, die, trotz Verkürzung wie glaubhafte Gesprächsäußerungen klingen.

[...] Wichmann wie Schneider können auch komisch, ohne das Krachige zu übertreiben – wenn sich Schneiders Birgitt nach dem schultersteifen Abtanzen zu "Lady in Black", das Miles Perkin live vom Bühnenrand einspielt, die schmerzende Hüfte hält, oder wenn bei Christas Besuch im Friseursalon statt des Haarschnitts ein von ungläubig-aufgeregtem Gekicher begleitetes erotisches Auszieh-Gerangel stattfindet.
Deutschlandfunk
Eberhard Spreng, 12.11.2018
Ein Wachmann also, ein Lokführer, eine Friseurin, eine Zugreinigungskraft, ein Imbissbudenbesitzer sind unter anderen die Protagonisten. Es sind Figuren von den Rändern der großen Städte, da wo die schicken Trends, Moden und Lifestyles nicht angekommen oder unbezahlbar sind, da, wo mit Billiglöhnen die Drecksarbeit gemacht wird. Sie alle sind Tagträumer, Heimgesuchte von Erinnerungsbildern der Vergangenheit.

Der Wachmann glaubt unweit des von ihm zu bewachenden Brennpunktobjektes eine Jugendliebe wiederzuerkennen. Das schnauzbärtige Gesicht eines Selbstmörders grinst einem Lokführer mitten auf den Gleisen entgegen. Wenn diese Figuren das Trauma nicht umtreibt, dann unerfüllte Liebe, wie sie sich in der Begegnung von Friseurin Birgitt und Zugputzfrau Christa in einer nächtlichen Bahnhofskneipe ausdrückt.
Ein Wachmann also, ein Lokführer, eine Friseurin, eine Zugreinigungskraft, ein Imbissbudenbesitzer sind unter anderen die Protagonisten. Es sind Figuren von den Rändern der großen Städte, da wo die schicken Trends, Moden und Lifestyles nicht angekommen oder unbezahlbar sind, da, wo mit Billiglöhnen die Drecksarbeit gemacht wird. Sie alle sind Tagträumer, Heimgesuchte von Erinnerungsbildern der Vergangenheit.

Der Wachmann glaubt unweit des von ihm zu bewachenden Brennpunktobjektes eine Jugendliebe wiederzuerkennen. Das schnauzbärtige Gesicht eines Selbstmörders grinst einem Lokführer mitten auf den Gleisen entgegen. Wenn diese Figuren das Trauma nicht umtreibt, dann unerfüllte Liebe, wie sie sich in der Begegnung von Friseurin Birgitt und Zugputzfrau Christa in einer nächtlichen Bahnhofskneipe ausdrückt.
Inforadio vom rbb
Nadine Kreuzahler, 12.11.2018
Das Bühnenbild ist reduziert, es besteht aus fünf drehbaren Holzwänden in Baumarkt-Optik. Zwischen ihnen bewegen sich die sechs Schauspieler. [...] In einer Szene sammeln sich alle auf einem wackeligen Matratzenstapel – sie klammern sich aneinander wie in einem Rettungsboot kurz vorm Schiffbruch. Ein starkes Bild [...]

Was am Ende hängen bleibt, ist die große Spielfreude der Schauspieler, die alle in mehreren Rollen zu sehen sind. [...] Im Publikum durchlebt man auch immer wieder Momente des Glücks – so wie die Figuren in Clemens Meyers Geschichten.
Das Bühnenbild ist reduziert, es besteht aus fünf drehbaren Holzwänden in Baumarkt-Optik. Zwischen ihnen bewegen sich die sechs Schauspieler. [...] In einer Szene sammeln sich alle auf einem wackeligen Matratzenstapel – sie klammern sich aneinander wie in einem Rettungsboot kurz vorm Schiffbruch. Ein starkes Bild [...]

Was am Ende hängen bleibt, ist die große Spielfreude der Schauspieler, die alle in mehreren Rollen zu sehen sind. [...] Im Publikum durchlebt man auch immer wieder Momente des Glücks – so wie die Figuren in Clemens Meyers Geschichten.
Berliner Morgenpost
Ulrike Borowczyk, 13.11.2018
Auf der Bühne indes geht es laut und wild zu. Mit verbal und visuell krachenden Pointen. Dazu rotieren fünf Stellwände als Abstraktum monotoner Trabantenstädte gefühlt permanent herum. Wenn sich nicht gleich die ganze Bühne dreht.

[...] An "Späte Ankunft", mit absolut großartiger Lakonik von Anja Schneider und Katrin Wichmann gespielt, kommt keiner vorbei. Eine kurze Kneipenfreundschaft zweier älterer Frauen. Christa ist Reinigungskraft bei der Bahn, Birgitt Friseurin. Beide geschieden. Zwischen Zigarettenqualm, Sekt und Bier nähern sie sich erst zögerlich, dann beinahe stürmisch einander an. Bis eine Ahnung von Liebe in der Luft liegt.
[...]
Musikalisch und gesanglich vorzüglich live unterstützt werden die Erzählungen von Multi-Instrumentalist Miles Perkin. Sein Soundtrack begleitet nicht nur, er mischt sich auch ein oder kommentiert das Geschehen pointiert.

In den Geschichten verschwimmen die Grenzen von Realität, Fernsehen, Gedanken und Fantasie immer wieder. [...] Wie in "Der kleine Tod", der vor spaßigen Einfällen nur so strotzt. Etwa wenn vier vom sechsköpfigen Ensemble vor der Glotze hocken und zappen, während Božidar Kocevski der Mann im Fernsehen ist und alle paar Sekunden seine Rolle(n) wechselt. Hinreißend, wie er erst die gesamte Personage einer spanischen Telenovela verkörpert und dann so ziemlich alles mimt, was man auf der Mattscheibe sehen kann. Vom Rennfahrer über den Doku-Soap-Selbstdarsteller bis zum unvermeidlichen TV-Komissar. Selten so gelacht. 

[...] Man ahnt die Trostlosigkeit, die hinter all der Überdrehtheit und dem Geschrei mitschwingt. Egal wie laut die Figuren sind, sie wirken verloren. In ihrem Alltagstrott, ihrer Einsamkeit und der Suche nach Nähe. Sie alle sind einfache Leute. Trabanten fernab des urbanen, hippen Epizentrums der Stadt. Menschen, die man sonst übersieht. Hier sind sie für einen kurzen Augenblick so nachhaltig sichtbar, dass man sie von nun an auch im wirklichen Leben in aller Deutlichkeit erkennen wird.
Auf der Bühne indes geht es laut und wild zu. Mit verbal und visuell krachenden Pointen. Dazu rotieren fünf Stellwände als Abstraktum monotoner Trabantenstädte gefühlt permanent herum. Wenn sich nicht gleich die ganze Bühne dreht.

[...] An "Späte Ankunft", mit absolut großartiger Lakonik von Anja Schneider und Katrin Wichmann gespielt, kommt keiner vorbei. Eine kurze Kneipenfreundschaft zweier älterer Frauen. Christa ist Reinigungskraft bei der Bahn, Birgitt Friseurin. Beide geschieden. Zwischen Zigarettenqualm, Sekt und Bier nähern sie sich erst zögerlich, dann beinahe stürmisch einander an. Bis eine Ahnung von Liebe in der Luft liegt.
[...]
Musikalisch und gesanglich vorzüglich live unterstützt werden die Erzählungen von Multi-Instrumentalist Miles Perkin. Sein Soundtrack begleitet nicht nur, er mischt sich auch ein oder kommentiert das Geschehen pointiert.

In den Geschichten verschwimmen die Grenzen von Realität, Fernsehen, Gedanken und Fantasie immer wieder. [...] Wie in "Der kleine Tod", der vor spaßigen Einfällen nur so strotzt. Etwa wenn vier vom sechsköpfigen Ensemble vor der Glotze hocken und zappen, während Božidar Kocevski der Mann im Fernsehen ist und alle paar Sekunden seine Rolle(n) wechselt. Hinreißend, wie er erst die gesamte Personage einer spanischen Telenovela verkörpert und dann so ziemlich alles mimt, was man auf der Mattscheibe sehen kann. Vom Rennfahrer über den Doku-Soap-Selbstdarsteller bis zum unvermeidlichen TV-Komissar. Selten so gelacht. 

[...] Man ahnt die Trostlosigkeit, die hinter all der Überdrehtheit und dem Geschrei mitschwingt. Egal wie laut die Figuren sind, sie wirken verloren. In ihrem Alltagstrott, ihrer Einsamkeit und der Suche nach Nähe. Sie alle sind einfache Leute. Trabanten fernab des urbanen, hippen Epizentrums der Stadt. Menschen, die man sonst übersieht. Hier sind sie für einen kurzen Augenblick so nachhaltig sichtbar, dass man sie von nun an auch im wirklichen Leben in aller Deutlichkeit erkennen wird.
Berliner Zeitung
Doris Meierhenrich, 13.11.2018
Es dreht und dreht sich – und obenauf werden zuweilen noch fünf Holzwände um die eigene Achse geschwungen (Bühne: Olaf Altmann). Sie stehen für vieles: für die Hochhäuser der ostdeutschen Trabantenstädte, die Meyer mit großer Liebe als wiederkehrende Orte seiner Erzählungen wählt, oder für Bahnhöfe. Sie geben aber auch ein Bild von den sich unaufhörlich wendenden Zeiten: den öffentlichen und den ganz anderen, privaten Lebensrhythmen, die sich mehr im ungefähren Vor und Zurück bewegen als im klaren Jetzt.
[...]
Ist es ein Wunder, dass Armin Petras, Meister der Luftigkeit, die Pantomime zum zentralen Spielelement dieses Abends macht? Schön, wie gleich zu Beginn Peter Kurth als Wachmann im "Objekt 95", aufgerieben zwischen seiner Sehnsuchtsliebe von einst und ausländerfeindlichen Übergriffen heute, erst einmal zehn Minuten lang unsichtbaren Tee kocht.
Bei aller thematischen Nähe klappt Petras den intimen, monologischen Erzählstil Meyers in die ganz eigene, greifbare Welt des Spiels um. Peter Kurth, den man lange in Berlin vermisste, ist der Fels in der Brandung dabei.
[...]
Obwohl der Abend drei Stunden dauert, hat Armin Petras die sechs Geschichten auf kleinste Textkerne reduziert und das Gewicht auf die Erschaffung atmosphärisch-gestischer Vorstellungswelten gelegt.
Nichts wird einfach nachgespielt, vielmehr die Innenwelt der Texte nach außen und auf viele Figuren verlegt.
Es dreht und dreht sich – und obenauf werden zuweilen noch fünf Holzwände um die eigene Achse geschwungen (Bühne: Olaf Altmann). Sie stehen für vieles: für die Hochhäuser der ostdeutschen Trabantenstädte, die Meyer mit großer Liebe als wiederkehrende Orte seiner Erzählungen wählt, oder für Bahnhöfe. Sie geben aber auch ein Bild von den sich unaufhörlich wendenden Zeiten: den öffentlichen und den ganz anderen, privaten Lebensrhythmen, die sich mehr im ungefähren Vor und Zurück bewegen als im klaren Jetzt.
[...]
Ist es ein Wunder, dass Armin Petras, Meister der Luftigkeit, die Pantomime zum zentralen Spielelement dieses Abends macht? Schön, wie gleich zu Beginn Peter Kurth als Wachmann im "Objekt 95", aufgerieben zwischen seiner Sehnsuchtsliebe von einst und ausländerfeindlichen Übergriffen heute, erst einmal zehn Minuten lang unsichtbaren Tee kocht.
Bei aller thematischen Nähe klappt Petras den intimen, monologischen Erzählstil Meyers in die ganz eigene, greifbare Welt des Spiels um. Peter Kurth, den man lange in Berlin vermisste, ist der Fels in der Brandung dabei.
[...]
Obwohl der Abend drei Stunden dauert, hat Armin Petras die sechs Geschichten auf kleinste Textkerne reduziert und das Gewicht auf die Erschaffung atmosphärisch-gestischer Vorstellungswelten gelegt.
Nichts wird einfach nachgespielt, vielmehr die Innenwelt der Texte nach außen und auf viele Figuren verlegt.
taz
René Hamann, 13.11.2018
Einen Erzählstoff auf die Bühne zu bringen, besteht im Schaffen von Atmosphäre. Kann Petras, macht er – auch mittels der sehr gut eingesetzten Musik von Miles Perkin – hier auch ausgiebigst. Da rieselt dann leise der Schnee zu einem dramatischen Thema auf dem Kontrabass; oder die Schauspieler bleiben lange schweigend stehen, während sie von der Drehbühne einmal herumrotiert werden. 

[...] Armin Petras hat diese Inszenierung klug in sechs Teile geteilt, denen sechs Geschichten zugrunde liegen. Das entscheidende Stück ist das mittlere. "Der kleine Tod", das letzte vor der Pause: Hier feiert sich die Besetzung, hier wird auf Atmosphäre und Off-Stimme weitgehend gepfiffen, hier herrscht das Chaos, die Komik, die Überdrehung. Petras erreicht hier eine Metaebene, die sich sogar über die eigene Theaterhaftigkeit lustig machen kann – wann hat man das zuletzt im Theater gesehen?
Einen Erzählstoff auf die Bühne zu bringen, besteht im Schaffen von Atmosphäre. Kann Petras, macht er – auch mittels der sehr gut eingesetzten Musik von Miles Perkin – hier auch ausgiebigst. Da rieselt dann leise der Schnee zu einem dramatischen Thema auf dem Kontrabass; oder die Schauspieler bleiben lange schweigend stehen, während sie von der Drehbühne einmal herumrotiert werden. 

[...] Armin Petras hat diese Inszenierung klug in sechs Teile geteilt, denen sechs Geschichten zugrunde liegen. Das entscheidende Stück ist das mittlere. "Der kleine Tod", das letzte vor der Pause: Hier feiert sich die Besetzung, hier wird auf Atmosphäre und Off-Stimme weitgehend gepfiffen, hier herrscht das Chaos, die Komik, die Überdrehung. Petras erreicht hier eine Metaebene, die sich sogar über die eigene Theaterhaftigkeit lustig machen kann – wann hat man das zuletzt im Theater gesehen?
Der Tagesspiegel
Christine Wahl, 13.11.2018
"Die stillen Trabanten" – das ist gleichzeitig die Titelgeschichte des 2017 erschienenen Prosabandes des Ost-Chronisten Clemens Meyer. Armin Petras hat fünf Erzählungen daraus jetzt auf die Kammerbühne des Deutschen Theaters transportiert, angereichert um eine frühere Geschichte aus "Die Nacht, die Lichter": Storys über Menschen mit Herkünften und Berufen, für die sich das Theater in der Regel eher nicht interessiert.
Für Petras indes liegt die Stoffwahl nahe: Kaum jemand im Bühnenbusiness hat sich derart intensiv, sachkundig und oft erhellend mit der DDR und dem Nachwende-Osten auseinandergesetzt wie er; sei es als Regisseur oder als Dramatiker unter dem Pseudonym Fritz Kater.

[...] Angestammte Petras-Schauspielerinnen wie Fritzi Haberlandt und -Schauspieler wie Peter Kurth, der auch diesmal dabei ist, haben dafür einen ureigenen Darstellungsstil entwickelt: schrill und verspielt, aber nicht naiv. Hochnotkomisch, aber denunziationsunverdächtig. Durchaus nicht pathos-, wohl aber ostalgiefrei.
So ist es sicher auch hier von Petras angedacht; bei diesen bewusst unspektakulären Meyer-Geschichten. Oft geht es um einen Moment, der jemanden für kurze Zeit aus seiner Routine reißt. Um Begegnungen zwischen Menschen, die schon lange keine Begegnungen mehr gewöhnt sind. Daraus bezieht Meyers Prosa ihren Reiz.
"Die stillen Trabanten" – das ist gleichzeitig die Titelgeschichte des 2017 erschienenen Prosabandes des Ost-Chronisten Clemens Meyer. Armin Petras hat fünf Erzählungen daraus jetzt auf die Kammerbühne des Deutschen Theaters transportiert, angereichert um eine frühere Geschichte aus "Die Nacht, die Lichter": Storys über Menschen mit Herkünften und Berufen, für die sich das Theater in der Regel eher nicht interessiert.
Für Petras indes liegt die Stoffwahl nahe: Kaum jemand im Bühnenbusiness hat sich derart intensiv, sachkundig und oft erhellend mit der DDR und dem Nachwende-Osten auseinandergesetzt wie er; sei es als Regisseur oder als Dramatiker unter dem Pseudonym Fritz Kater.

[...] Angestammte Petras-Schauspielerinnen wie Fritzi Haberlandt und -Schauspieler wie Peter Kurth, der auch diesmal dabei ist, haben dafür einen ureigenen Darstellungsstil entwickelt: schrill und verspielt, aber nicht naiv. Hochnotkomisch, aber denunziationsunverdächtig. Durchaus nicht pathos-, wohl aber ostalgiefrei.
So ist es sicher auch hier von Petras angedacht; bei diesen bewusst unspektakulären Meyer-Geschichten. Oft geht es um einen Moment, der jemanden für kurze Zeit aus seiner Routine reißt. Um Begegnungen zwischen Menschen, die schon lange keine Begegnungen mehr gewöhnt sind. Daraus bezieht Meyers Prosa ihren Reiz.
Süddeutsche Zeitung
Peter Laudenbach, 14.11.2018
Armin Petras hat in den Kammerspielen sechs Erzählungen aus Clemens Meyers unbedingt lesenswertem Band "Die stillen Trabanten" zu einem atmosphärisch dichten Abend montiert; es ist in ihrer Spielfreude und scheinbaren Naivität, in der Zuneigung zu den Figuren und Lakonie die gefühlsstärkste Petras-Inszenierung seit Langem. [...] Starke Schauspieler, ein kluger Umgang mit literarischen Stoffen, markante Regiehandschrift und das Vertrauen darauf, dass das Publikum bereit ist, auch kompliziertere Wege mitzugehen.
[...]
Es sind zugige Orte, an denen sich hier die Menschen begegnen: ein Treppenhaus im 14. Stock des Plattenbaus, der Zaun vor einem Asylbewerberheim, eine Bahnhofskneipe. In diesen Geschichten streifen sich zufällig die Wege von Fremden. Sie schauen in den Nachthimmel über den Hochhäusern und führen Selbstgespräche gegen die Einsamkeit. Sie kommen ohne größere Träume aus, Illusionen können sie sich nicht leisten. [...] Christa, die nachts mit dem Putztrupp schmutzige Züge am Bahnhof reinigt, und Birgitt, die im Frisiersalon am selben Bahnhof arbeitet, beide Ende fünfzig, freunden sich an. Ihre Begegnung machen Katrin Wichmann und Anja Schneider zu einer umwerfenden, komisch-nüchternen Studie über Einsamkeit und Lebensmut.

Peter Kurth spielt in Petras' Inszenierung einen Wachmann, einen Kioskbudenbetreiber oder einen Zugführer, der seine Lok am liebsten nachts fährt – schwere, schweigsame Männer mit zerknautschtem Gesicht und einer tiefen, über viele Jahre angesammelten Müdigkeit. In Momenten scheuer Zuneigung gönnen sie sich höchstens lange, skeptische Blicke oder einen tiefen Zug aus der Zigarette, jedes Wort wäre zu viel. Dabei hat dieser wuchtige Mann eine Empfindlichkeit, die berührender ist als alle Leichtgewicht-Romantizismen.
Armin Petras hat in den Kammerspielen sechs Erzählungen aus Clemens Meyers unbedingt lesenswertem Band "Die stillen Trabanten" zu einem atmosphärisch dichten Abend montiert; es ist in ihrer Spielfreude und scheinbaren Naivität, in der Zuneigung zu den Figuren und Lakonie die gefühlsstärkste Petras-Inszenierung seit Langem. [...] Starke Schauspieler, ein kluger Umgang mit literarischen Stoffen, markante Regiehandschrift und das Vertrauen darauf, dass das Publikum bereit ist, auch kompliziertere Wege mitzugehen.
[...]
Es sind zugige Orte, an denen sich hier die Menschen begegnen: ein Treppenhaus im 14. Stock des Plattenbaus, der Zaun vor einem Asylbewerberheim, eine Bahnhofskneipe. In diesen Geschichten streifen sich zufällig die Wege von Fremden. Sie schauen in den Nachthimmel über den Hochhäusern und führen Selbstgespräche gegen die Einsamkeit. Sie kommen ohne größere Träume aus, Illusionen können sie sich nicht leisten. [...] Christa, die nachts mit dem Putztrupp schmutzige Züge am Bahnhof reinigt, und Birgitt, die im Frisiersalon am selben Bahnhof arbeitet, beide Ende fünfzig, freunden sich an. Ihre Begegnung machen Katrin Wichmann und Anja Schneider zu einer umwerfenden, komisch-nüchternen Studie über Einsamkeit und Lebensmut.

Peter Kurth spielt in Petras' Inszenierung einen Wachmann, einen Kioskbudenbetreiber oder einen Zugführer, der seine Lok am liebsten nachts fährt – schwere, schweigsame Männer mit zerknautschtem Gesicht und einer tiefen, über viele Jahre angesammelten Müdigkeit. In Momenten scheuer Zuneigung gönnen sie sich höchstens lange, skeptische Blicke oder einen tiefen Zug aus der Zigarette, jedes Wort wäre zu viel. Dabei hat dieser wuchtige Mann eine Empfindlichkeit, die berührender ist als alle Leichtgewicht-Romantizismen.
neues deutschland
Jakob Hayner, 30.11.2018
Der Regisseur Armin Petras, der schon 2008 Meyers "Als wir träumten" für die Bühne bearbeitete, verzichtet auf einen illustrativen oder naturalistischen Ansatz. Hier soll kein Milieu beglotzt werden, sondern sollen Menschen in Situationen gezeigt werden.
Ein sozialer Realismus, der laut Petras sowohl Stanislawskis Einfühlung als auch Brechts Verfremdung nutzt, der das Psychologische als Spiegel einer entfremdeten Um- und Mitwelt begreift. Bei Meyer sind das verfallene proletarische Lebenswelten; statt Fabrik, Familie und Gewerkschaft zeigen sie einsame Menschen in prekären Dienstleistungsjobs ohne politische Repräsentation. Menschen, die zum Amt müssen oder in einem Imbiss zusammenfinden. Es herrscht Bewegungslosigkeit, der Wind der Geschichte weht nicht in diesen Gefilden, wenn er denn überhaupt irgendwo zu verspüren ist. "Die Nächte waren öde und endlos", das sind die ersten Worte, die in die Stille fallen.
Dass Meyers Erzählungen aber neben einer gewissen Sprödigkeit auch außerordentlich komisch sind oder zumindest so aufgeführt werden können, zeigt vor allem die erste Hälfte des knapp dreistündigen Abends.
[...]
Besonders hervorzuheben ist die zweite der insgesamt sechs Szenen des Abends, in der Katrin Wichmann und Anja Schneider eine Reinigungskraft bei der Bahn und eine Friseurin spielen, die in einer Bahnhofskneipe aufeinandertreffen.
Gezeigt wird die mühselige Selbstbehauptung, changierend zwischen Statuskämpfen und Sehnsucht nach einem anderen, liebevollen Verhältnis zu dem anderen – und das in der ganzen Ungelenkheit, die allen eigen ist, die nicht allzu viel Schönes im Leben erfahren haben. Das ist dann auch schauspielerisch überzeugend, weil hier statt Karikaturen eben Charaktere dargestellt werden, mit ihren Brüchen und Beschädigungen.
Der Regisseur Armin Petras, der schon 2008 Meyers "Als wir träumten" für die Bühne bearbeitete, verzichtet auf einen illustrativen oder naturalistischen Ansatz. Hier soll kein Milieu beglotzt werden, sondern sollen Menschen in Situationen gezeigt werden.
Ein sozialer Realismus, der laut Petras sowohl Stanislawskis Einfühlung als auch Brechts Verfremdung nutzt, der das Psychologische als Spiegel einer entfremdeten Um- und Mitwelt begreift. Bei Meyer sind das verfallene proletarische Lebenswelten; statt Fabrik, Familie und Gewerkschaft zeigen sie einsame Menschen in prekären Dienstleistungsjobs ohne politische Repräsentation. Menschen, die zum Amt müssen oder in einem Imbiss zusammenfinden. Es herrscht Bewegungslosigkeit, der Wind der Geschichte weht nicht in diesen Gefilden, wenn er denn überhaupt irgendwo zu verspüren ist. "Die Nächte waren öde und endlos", das sind die ersten Worte, die in die Stille fallen.
Dass Meyers Erzählungen aber neben einer gewissen Sprödigkeit auch außerordentlich komisch sind oder zumindest so aufgeführt werden können, zeigt vor allem die erste Hälfte des knapp dreistündigen Abends.
[...]
Besonders hervorzuheben ist die zweite der insgesamt sechs Szenen des Abends, in der Katrin Wichmann und Anja Schneider eine Reinigungskraft bei der Bahn und eine Friseurin spielen, die in einer Bahnhofskneipe aufeinandertreffen.
Gezeigt wird die mühselige Selbstbehauptung, changierend zwischen Statuskämpfen und Sehnsucht nach einem anderen, liebevollen Verhältnis zu dem anderen – und das in der ganzen Ungelenkheit, die allen eigen ist, die nicht allzu viel Schönes im Leben erfahren haben. Das ist dann auch schauspielerisch überzeugend, weil hier statt Karikaturen eben Charaktere dargestellt werden, mit ihren Brüchen und Beschädigungen.

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Mit englischen Übertiteln

Forever Yin Forever Young

Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
19.30 - 22.10