
Der Löwe im Winter
von James Goldman
"Wir schreiben das Jahr 1183 und wir sind Barbaren. Das ist ganz offensichtlich unsere Schuld.
Wir sind der Ausgangspunkt aller Kriege. Weder die Vergangenheit zwingt uns noch die Gegenwart,nicht Gesetze, Ideologien, Religionen, Regierungen oder irgendetwas sonst.
Wir selbst sind die Mörder, unsere Gier brütet Kriege aus. Wir tragen sie in uns, wie eine Seuche.
Um Christi Willen, können wir uns nicht wenigstens ein bisschen lieben?"
Henry II. ist der mächtigste König seiner Zeit, er hat sein Reich in andauernden Kriegen beständig vergrößert und herrscht über große Teile Englands und Frankreichs. Als sein ältester Sohn stirbt, muss er die Nachfolge neu regeln. An Weihnachten versammelt er seine Familie und eröffnet die Schlacht um den Thron. Im Duell zwischen dem König und seiner Ehefrau Eleonor, ebenfalls eine der mächtigsten Frauen ihrer Epoche, treffen zwei gleichwertige Gegner aufeinander. Henry hat seine Frau die letzen zehn Jahre einkerkern lassen – nach langer, gescheiterter Ehe verbindet beide immer noch eine elementare Hass-Liebe und ihre drei Söhne werden von Vater und Mutter instrumentalisiert und schmieden ihrerseits bösartige Intrigen. Das Mittelalter Henrys ist in James Goldmans 1966 geschriebenen Drama eine schmutzige, kriegerische, ungeordnete Welt, in der die Menschen nackt und ungefiltert ihren Racheinstinkten folgen, sich demütigen und verletzen und in gleichem Maß ungezügelt lieben und ihren Begierden nachgehen.
Wir sind der Ausgangspunkt aller Kriege. Weder die Vergangenheit zwingt uns noch die Gegenwart,nicht Gesetze, Ideologien, Religionen, Regierungen oder irgendetwas sonst.
Wir selbst sind die Mörder, unsere Gier brütet Kriege aus. Wir tragen sie in uns, wie eine Seuche.
Um Christi Willen, können wir uns nicht wenigstens ein bisschen lieben?"
Henry II. ist der mächtigste König seiner Zeit, er hat sein Reich in andauernden Kriegen beständig vergrößert und herrscht über große Teile Englands und Frankreichs. Als sein ältester Sohn stirbt, muss er die Nachfolge neu regeln. An Weihnachten versammelt er seine Familie und eröffnet die Schlacht um den Thron. Im Duell zwischen dem König und seiner Ehefrau Eleonor, ebenfalls eine der mächtigsten Frauen ihrer Epoche, treffen zwei gleichwertige Gegner aufeinander. Henry hat seine Frau die letzen zehn Jahre einkerkern lassen – nach langer, gescheiterter Ehe verbindet beide immer noch eine elementare Hass-Liebe und ihre drei Söhne werden von Vater und Mutter instrumentalisiert und schmieden ihrerseits bösartige Intrigen. Das Mittelalter Henrys ist in James Goldmans 1966 geschriebenen Drama eine schmutzige, kriegerische, ungeordnete Welt, in der die Menschen nackt und ungefiltert ihren Racheinstinkten folgen, sich demütigen und verletzen und in gleichem Maß ungezügelt lieben und ihren Begierden nachgehen.
Regie / Bühne Sebastian Hartmann
Kostüme Adriana Braga Peretzki
Musik Nackt
Dramaturgie Sonja Anders
Premiere 28. Februar 2014
Michael SchweighöferHenry II., König von England

Almut ZilcherEleanor, die Frau des Königs

Felix GoeserRichard, der älteste Sohne

Peter MoltzenGeoffrey, der mittlere Sohn

Andreas DöhlerPhilipp II., König von Frankreich

Benjamin LillieJohn, der jüngeste Sohn

Natalia BelitskiAlais, Schwester von Philipp II.

Henry II., König von England
Eleanor, die Frau des Königs
Richard, der älteste Sohne
Geoffrey, der mittlere Sohn
Philipp II., König von Frankreich
John, der jüngeste Sohn
Alais, Schwester von Philipp II.
Dann die finsteren Söhne, alle drei offenbar durch elterlichen Liebesentzug stark hospitalisiert. Benjamin Lillie als John, der jüngste: ein bleicher, vampirhafter Fanatiker, Geoffrey alias Peter Moltzen, ein verschlagener eitler wie schillernder Charakterschwächling und schließlich Felix Goeser als Richard, ein kalt blickender brutaler Egoshooter im Kettenhemd, der einem Comic (oder Computerspiel) entsprungen zu sein scheint. Sie alle lügen, morden und verraten. Für einen Zipfel Macht (oder eben Liebe) sind sie zu jedem Verbrechen bereit. Am Ende stehen sie wie drei junge Bolschewiken an der Rampe, Richard als veritables Lenin-Double.
Natalia Belitski spielt König Henrys junge Geliebte Alais, die Unschuldigste im ganzen Goldman-Szenario. Die einzige vielleicht, die wirklich liebt. Hartmann macht aus ihr eine berechnende junge Frau, die sich an die Macht schlafen will: eine königliche Nutte im knappen Kleidchen, der er am Ende noch einen lautstarken Auftritt als wasserstoffblonde mordlustige Feldherrin mit verzweifelten Allmachtsfantasien verschafft. Anders als im Original übrigens, wo sie die Rolle der Mörderin dezidiert von sich weist. Eine Figur, die in Hartmanns Deutung aber nicht ganz plausibel wird.Und dann ist da noch Andreas Döhler, als Alais Bruder und junger französischer König Philipp II. Döhler, der sich als einziger gegen die Pathologisierung seiner Figur sperrt, ist der Ruhepol des Abends. Der junge König, den er spielt, weiß, dass er zu schwach ist, um das Machtspiel zu gewinnen. So spielt er alle gegeneinander aus: ein Pokerface und virtuoser Spieler auf der Gefühlsklaviatur der anderen. Ein toller Stoff, von Hartmann mit Hilfe der Videokünstler von Transforma sowie der Musik von Nackt in gewaltige Bilder und Atmosphären übersetzt. Ein tolles Ensemble auch, das Hartmann da auf der Bühne des Deutschen Theaters versammelt hat. Almut Zilcher ist die Königin: eine rasende megärenhafte Frau in wallenden Gewändern, die in Sekundenschnelle von weinerlichem Mitleidheischen oder leidenschaftlicher Liebesfähigkeit auf Eiseskälte umschalten kann. Der König ist Michael Schweighöfer, ein Mannsmassiv, der seine Figur sehr versiert zwischen tapsiger Gutmütigkeit und brutalem Egoismus balanciert.
Dann die finsteren Söhne, alle drei offenbar durch elterlichen Liebesentzug stark hospitalisiert. Benjamin Lillie als John, der jüngste: ein bleicher, vampirhafter Fanatiker, Geoffrey alias Peter Moltzen, ein verschlagener eitler wie schillernder Charakterschwächling und schließlich Felix Goeser als Richard, ein kalt blickender brutaler Egoshooter im Kettenhemd, der einem Comic (oder Computerspiel) entsprungen zu sein scheint. Sie alle lügen, morden und verraten. Für einen Zipfel Macht (oder eben Liebe) sind sie zu jedem Verbrechen bereit. Am Ende stehen sie wie drei junge Bolschewiken an der Rampe, Richard als veritables Lenin-Double.
Natalia Belitski spielt König Henrys junge Geliebte Alais, die Unschuldigste im ganzen Goldman-Szenario. Die einzige vielleicht, die wirklich liebt. Hartmann macht aus ihr eine berechnende junge Frau, die sich an die Macht schlafen will: eine königliche Nutte im knappen Kleidchen, der er am Ende noch einen lautstarken Auftritt als wasserstoffblonde mordlustige Feldherrin mit verzweifelten Allmachtsfantasien verschafft. Anders als im Original übrigens, wo sie die Rolle der Mörderin dezidiert von sich weist. Eine Figur, die in Hartmanns Deutung aber nicht ganz plausibel wird.Und dann ist da noch Andreas Döhler, als Alais Bruder und junger französischer König Philipp II. Döhler, der sich als einziger gegen die Pathologisierung seiner Figur sperrt, ist der Ruhepol des Abends. Der junge König, den er spielt, weiß, dass er zu schwach ist, um das Machtspiel zu gewinnen. So spielt er alle gegeneinander aus: ein Pokerface und virtuoser Spieler auf der Gefühlsklaviatur der anderen.
Am Ende tötet der König erst alle anderen und dann sich selbst. Er tut das fast zärtlich, mit einem Streicheln über den Kopf. Es ist so was wie ein Gnadenakt. Denn im Original gehen alle auseinander und verabreden sich zum nächsten Familientreffen.
Die härtesten Kämpfer sind aber König Henry II. und seine Gemahlin Eleanor. Ihre gegenseitigen Verletzungen sind von gnadenloser Verachtung und der Routine einer langen Ehe geprägt - auch für einen erfahrenen Paartherapeuten wären die beiden eine Herausforderung. Nach der Pause gönnt ihnen der Regisseur einen Augenblick der Ruhe und der Ehrlichkeit, in dem sie ihren Schmerz bekennen, irgendwann loslassen zu müssen: Der Löwe und die Löwin sind im Winter ihres Lebens angekommen, sie haben Angst vor dem Tod, vor dem Nichts. (...)
Am Ende tötet der König erst alle anderen und dann sich selbst. Er tut das fast zärtlich, mit einem Streicheln über den Kopf. Es ist so was wie ein Gnadenakt. Denn im Original gehen alle auseinander und verabreden sich zum nächsten Familientreffen.