Das Feuerschiff

nach der Erzählung von Siegfried Lenz
Bühne Mira König
Dramaturgie John von Düffel
Premiere am 5. März 2016
Ulrich MatthesFreytag, Kapitän
Hans LöwDr. Caspary
Timo WeisschnurFred, Sohn des Kapitäns
Božidar KocevskiEugen / Edgar
Freytag, Kapitän
Dr. Caspary
Fred, Sohn des Kapitäns
Eugen / Edgar
3sat Kulturzeit
Stefan Münker, 07.03.2016
Großartige Schauspieler und ein überraschend aktueller Text lassen den Abend zu einem intensiven und wohltuend verstörenden Erlebnis werden. Unbedingt ansehen! "Großartige Schauspieler und ein überraschend aktueller Text lassen den Abend zu einem intensiven und wohltuend verstörenden Erlebnis werden. Unbedingt ansehen!"
Berliner Zeitung
Ulrich Seidler, 07.03.2016
Gespielt wird auf einem Gitter, eine nahe Rückwand aus hermetischen Polsterquadraten lässt wenig Raumtiefe übrig − eine Atmosphäre der Bodenlosigkeit bei gleichzeitiger Enge (Bühne: Mira König). In der Mitte gibt es einen Fenster-Schlitz, auf dem sich Meer- und Himmelbilder zeigen; man sieht das kleine Schiff zwischen Wellenbergen taumeln, sodass der Zuschauer das Gefühl hat, das Theater schwoite auf See (Video: Philip Hohenwarter). Noch vor dem ersten Auftritt ist klar: Hier gibt es Theaterqualitätsware im funktionellen Design. Klaustrophobe Soundeinblendungen machen praktische Ellipsen möglich, die Handlung springt von Dialog zu Dialog. Das hätte dem vor anderthalb Jahren gestorbenen Lenz gefallen; er ist ein kühler Meister der Verkürzung und Andeutung, der seine moralischen Dilemmata spannt, indem er Situationen skizziert und mit Kalkül zuspitzt, dabei Analyse und Deutung den Lesern überlässt. "Gespielt wird auf einem Gitter, eine nahe Rückwand aus hermetischen Polsterquadraten lässt wenig Raumtiefe übrig − eine Atmosphäre der Bodenlosigkeit bei gleichzeitiger Enge (Bühne: Mira König). In der Mitte gibt es einen Fenster-Schlitz, auf dem sich Meer- und Himmelbilder zeigen; man sieht das kleine Schiff zwischen Wellenbergen taumeln, sodass der Zuschauer das Gefühl hat, das Theater schwoite auf See (Video: Philip Hohenwarter). Noch vor dem ersten Auftritt ist klar: Hier gibt es Theaterqualitätsware im funktionellen Design. Klaustrophobe Soundeinblendungen machen praktische Ellipsen möglich, die Handlung springt von Dialog zu Dialog. Das hätte dem vor anderthalb Jahren gestorbenen Lenz gefallen; er ist ein kühler Meister der Verkürzung und Andeutung, der seine moralischen Dilemmata spannt, indem er Situationen skizziert und mit Kalkül zuspitzt, dabei Analyse und Deutung den Lesern überlässt."
Kulturradio vom rbb
Peter Hans Göpfert, 07.03.2016
Es ist dies die erste Inszenierung des 34-jährigen Josua Rösing, der seit knapp drei Jahren als Regieassistent am Deutschen Theater arbeitet. Eine Inszenierung, die nicht auf gesteigerte Action setzt, sondern das Gedanken-Spiel herausstellt - und das gewissermaßen auf szenischer Sparflamme. Es wird auf der Vorderbühne gespielt. Das Bühnenbild von Mira König, wenn man es denn so nennen will, arbeitet mit allerlei Zubehören, die eher assoziativ den Schauplatz "Schiff" andeuten als ihn nachbauen - mit Metallrosten und großen Ventilatoren. Und in einer gepolstert wirkenden Rückwand gibt es ein paar Fenster, die keinesfalls an die von Lenz immer wieder erwähnten Bulleyes erinnern. Darin sieht man schon mal Wellen wogen oder einzelne Handlungsdetails illustriert. Aber gegenüber der allseitig grassierenden Video-Inflation ist dieser filmische Einsatz geradezu puristisch, wie Rösings Inszenierung überhaupt. Der Regisseur hat das bei Lenz vorgegebene Personal auf nur vier Figuren verknappt: auf Kapitän Freytag und seinen Sohn Fred, zwischen denen als besondere Form des Generationskonflikts die Auseinandersetzung um unbeirrtes gewaltloses Sicherheitsdenken und heroischen Widerstand ausgetragen wird; und auf den als "Doktor Caspary" figurierenden Anführer der Verbrecher, einen Hochstapler und professionellen Erpresser.

Matthes verkörpert den eher mürrischen, angegrauten standfesten Kapitän. Er entwickelt seine große erzählerische Energie in der Schilderung seiner Sicht auf jene weit zurückliegenden Ereignisse, in denen der Sohn seinen Vater als risikoscheuen Feigling ausmachen will. Timo Weisschnur spielt diesen Jungen ohne Eifern, fast sachlich. Und Hans Löw gibt den Häuptling der Bande als geschmeidig eleganten Snob. Dessen, von Lenz reizvoll ausgeführte, Philosophie, dass genaugenommen jedem Menschen ein Verbrechen nachzuweisen sei, tritt eher in den Hintergrund. Die Theatralisierung, mit Matthes und Löw als Wortführern, garantiert der Geschichte ihre eigene gedankliche Spannung. Buchstäblich mit einem Knalleffekt gibt die Inszenierung der Sache schließlich eine doch etwas andere und womöglich aktuellere Wendung, als sie der Deutschunterricht handhabt. Das muss man sich aber schon selbst ansehen.
"Es ist dies die erste Inszenierung des 34-jährigen Josua Rösing, der seit knapp drei Jahren als Regieassistent am Deutschen Theater arbeitet. Eine Inszenierung, die nicht auf gesteigerte Action setzt, sondern das Gedanken-Spiel herausstellt - und das gewissermaßen auf szenischer Sparflamme. Es wird auf der Vorderbühne gespielt. Das Bühnenbild von Mira König, wenn man es denn so nennen will, arbeitet mit allerlei Zubehören, die eher assoziativ den Schauplatz "Schiff" andeuten als ihn nachbauen - mit Metallrosten und großen Ventilatoren. Und in einer gepolstert wirkenden Rückwand gibt es ein paar Fenster, die keinesfalls an die von Lenz immer wieder erwähnten Bulleyes erinnern. Darin sieht man schon mal Wellen wogen oder einzelne Handlungsdetails illustriert. Aber gegenüber der allseitig grassierenden Video-Inflation ist dieser filmische Einsatz geradezu puristisch, wie Rösings Inszenierung überhaupt. Der Regisseur hat das bei Lenz vorgegebene Personal auf nur vier Figuren verknappt: auf Kapitän Freytag und seinen Sohn Fred, zwischen denen als besondere Form des Generationskonflikts die Auseinandersetzung um unbeirrtes gewaltloses Sicherheitsdenken und heroischen Widerstand ausgetragen wird; und auf den als "Doktor Caspary" figurierenden Anführer der Verbrecher, einen Hochstapler und professionellen Erpresser.

Matthes verkörpert den eher mürrischen, angegrauten standfesten Kapitän. Er entwickelt seine große erzählerische Energie in der Schilderung seiner Sicht auf jene weit zurückliegenden Ereignisse, in denen der Sohn seinen Vater als risikoscheuen Feigling ausmachen will. Timo Weisschnur spielt diesen Jungen ohne Eifern, fast sachlich. Und Hans Löw gibt den Häuptling der Bande als geschmeidig eleganten Snob. Dessen, von Lenz reizvoll ausgeführte, Philosophie, dass genaugenommen jedem Menschen ein Verbrechen nachzuweisen sei, tritt eher in den Hintergrund. Die Theatralisierung, mit Matthes und Löw als Wortführern, garantiert der Geschichte ihre eigene gedankliche Spannung. Buchstäblich mit einem Knalleffekt gibt die Inszenierung der Sache schließlich eine doch etwas andere und womöglich aktuellere Wendung, als sie der Deutschunterricht handhabt. Das muss man sich aber schon selbst ansehen."
Die Welt
Barbara Möller, 07.03.2016
Die Frage, wie sich eine aufgeklärte Gesellschaft zur Gewalt verhalten soll, wie weit sie um des lieben Friedens willen gehen darf, ohne sich selbst und ihre demokratischen Werte aufzugeben, ist angesichts islamistischen Terrors ungebrochen aktuell.

Die Berliner Inszenierung verzichtet auf plakative Bezüge. John von Düffel, der die 120-Seiten-Prosa für die Kammerspielbühne des Deutschen Theaters in Berlin adaptiert hat, verlässt sich weitestgehend auf die kraftvollen Dialoge von Lenz. (…) Regie führt der Max-Reinhardt-Absolvent Josua Rösing, der schon Kafkas "Verwandlung" in Wien und Dostojewskis "Brüder Karamasow" in Hamburg inszeniert hat.

Mit Ulrich Matthes steht ihm ein Ausnahmeschauspieler zur Verfügung. Matthes ist mit seiner fragilen Erscheinung nicht gerade ein Seebär, umso eindringlicher ist seine widerständige, geradezu sture Haltung einem Mann (Hans Löw) gegenüber, der seine Existenz als Abenteuer begreift. Es ist ein aufregendes Duell. Zwei Männer verhandeln über das Ordnungssystem. In seinem Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein graugesichtig und fast schon langweilig der eine, lebenshungrig, rücksichtslos, anarchisch, aber durchaus charmant der andere. (…)

Nicht Kämpfer seien die wichtigsten Gestalten von Siegfried Lenz, hat Marcel Reich-Ranicki einmal gesagt, sondern passive Naturen, die sich gegen die auf sie einstürmenden Mächte verteidigten. Genau darin liegt die Relevanz dieser Inszenierung.
"Die Frage, wie sich eine aufgeklärte Gesellschaft zur Gewalt verhalten soll, wie weit sie um des lieben Friedens willen gehen darf, ohne sich selbst und ihre demokratischen Werte aufzugeben, ist angesichts islamistischen Terrors ungebrochen aktuell.

Die Berliner Inszenierung verzichtet auf plakative Bezüge. John von Düffel, der die 120-Seiten-Prosa für die Kammerspielbühne des Deutschen Theaters in Berlin adaptiert hat, verlässt sich weitestgehend auf die kraftvollen Dialoge von Lenz. […] Regie führt der Max-Reinhardt-Absolvent Josua Rösing, der schon Kafkas "Verwandlung" in Wien und Dostojewskis "Brüder Karamasow" in Hamburg inszeniert hat.

Mit Ulrich Matthes steht ihm ein Ausnahmeschauspieler zur Verfügung. Matthes ist mit seiner fragilen Erscheinung nicht gerade ein Seebär, umso eindringlicher ist seine widerständige, geradezu sture Haltung einem Mann (Hans Löw) gegenüber, der seine Existenz als Abenteuer begreift. Es ist ein aufregendes Duell. Zwei Männer verhandeln über das Ordnungssystem. In seinem Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein graugesichtig und fast schon langweilig der eine, lebenshungrig, rücksichtslos, anarchisch, aber durchaus charmant der andere. (…)

Nicht Kämpfer seien die wichtigsten Gestalten von Siegfried Lenz, hat Marcel Reich-Ranicki einmal gesagt, sondern passive Naturen, die sich gegen die auf sie einstürmenden Mächte verteidigten. Genau darin liegt die Relevanz dieser Inszenierung."

Außerdem im Spielplan

Mit englischen Übertiteln
von Rainald Goetz
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln

Forever Yin Forever Young

Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40