
Between the Lines. Briefe aus Bissau
Eine Stückentwicklung von Auftrag : Lorey und Kolja Kunt
"Als meine Tante nach Guinea-Bissau auswanderte, um Vincente zu heiraten, war ich ein Kind. Seitdem gehört das kleine Land zu meiner Familie. Von jetzt an aßen wir Daheimgebliebenen den Reis mit den Händen aus einer Schüssel und hörten dazu politische Musik von José Carlos Schwartz. Stolz auf unsere ferne Verwandtschaft schmückten wir unser Haus mit Kunsthandwerk aus Bissau. Wir saugten die Informationen auf, die uns von dort erreichten und doch blieben wir außen vor. Durch die Lichterkette, die man von meinem Kinderzimmerfenster aus nachts am Horizont sehen konnte, war der Eiserne Vorhang stets präsent. Es waren die Lichter der Grenzanlagen zur BRD."
35 Jahre später begibt sich die Filmemacherin Kolja Kunt auf Spurensuche nach Westafrika. Auch sie verliebt sich. Aber dass Geschichte sich wiederholt, ist ein Mythos. Realität ist immer anders. Die Mauer ist gefallen und höhere Grenzzäune sind errichtet an entfernteren Orten, die Welt ist vernetzt und der Schreibwarenladen führt schon länger kein Luftpostpapier mehr. Nur wenn im Zentrum von Bissau die Fahne gehisst wird, steht noch alles still, wie es einst das Protokoll der portugiesischen Besatzungsmacht vorschrieb.
35 Jahre später begibt sich die Filmemacherin Kolja Kunt auf Spurensuche nach Westafrika. Auch sie verliebt sich. Aber dass Geschichte sich wiederholt, ist ein Mythos. Realität ist immer anders. Die Mauer ist gefallen und höhere Grenzzäune sind errichtet an entfernteren Orten, die Welt ist vernetzt und der Schreibwarenladen führt schon länger kein Luftpostpapier mehr. Nur wenn im Zentrum von Bissau die Fahne gehisst wird, steht noch alles still, wie es einst das Protokoll der portugiesischen Besatzungsmacht vorschrieb.
Uraufführung
30. September 2017, Box
30. September 2017, Box
Kathleen Morgeneyer

Natali Seelig

Süheyla Ünlü
Djelifily SakoLive-Musik
Djelifily Sako
Live-Musik
Außerdem im Spielplan
Mit englischen Übertiteln
Regie: Claudia Bossard
DT Kontext: Im Anschluss an die Vorstellung Vortrag und Gespräch mit Rainald Goetz
DT Bühne
19.30 - 21.50
Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
Forever Yin Forever Young
Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
20.00 - 22.40
"Between the Lines. Briefe aus Bissau" thematisiert zunächst das Genre des Lesens, des Vorlesens und des Suchens zwischen den Zeilen. Drei Frauen, bestückt mit Papier, und ein Mann, eine traditionelle westafrikanische Stegharfe in Griffweite, stehen im Halbdunkel der Bühne und lassen Worte aus dem Off an sich abperlen. Dann ergreift der Mann, Djelifily Suko, ein Griot aus Mali, das Wort und erzählt - mutmaßlich, denn er erzählt in einer fremden Sprache - von Guinea-Bissau, von Afrika, von den Weißen in Afrika. Hier und da lacht jemand, der ihn versteht. Dann ist Poungoura an der Reihe ihre Briefe ab 1980. Erst datiert, später auch nummeriert. Denn Poungoura und ihre Familie erkannten schnell, dass die Staatssicherheit die Briefe öffnete; sie las und manche sogar verschwinden ließ. Vermisste Briefe, etwa einer mit Fotos von einer Faschingsfeier in Bissau, tauchen mehr als ein Jahrzehnt später in ihren Stasi-Akten auf. Auch das ist ein Zeitmoment.
Die Rekonstruktion dieser so bizarren, so seltsam vertrauten und aus der zeitlichen Ferne fast unwirklich erscheinenden Verbindung dieses kleinen Landes, das sich selbst eingemauert hat im Herzen Europas mit den Völkern der Welt nimmt größeren Raum ein. Vicente Poungura, Mitkämpfer in der legendären Befreiungsbewegung von Amilcar. Cabral, kam in den 70er Jahren zum Studium in die DDR und traf dort auf Gabriele; die sich in ihn verliebte. Eine Familiengeschichte, sich abspielend zwischen dem thüringischen Erfurt und dem westafrikanischen Guinea-Bissau, spült längst vergessene Konzepte wie "Völkerfreundschaft" und "Bruderland" wieder an die Oberfläche des Bewusstseins. Ausgangspunkt sind Briefe von Gabriele Poungoura, die in den 70er Jahren ihrem Mann Vicente Poungoura aus der DDR- nach Westafrika folgte. Poungouras Nichte Kolja Kunt nahm dreieinhalb Jahrzehnte später - die Auswandererin war da schon an den Folgen eines Verbrennungsunfalls gestorben - den Faden wieder auf und drehte einen Film. Aus ihren Recherchen und Briefen gestaltete das Regieduo Bjoern Auftrag und Stefanie Lorey einen Lese- und Musikabend in der Box des Deutschen Theaters.
"Between the Lines. Briefe aus Bissau" thematisiert zunächst das Genre des Lesens, des Vorlesens und des Suchens zwischen den Zeilen. Drei Frauen, bestückt mit Papier, und ein Mann, eine traditionelle westafrikanische Stegharfe in Griffweite, stehen im Halbdunkel der Bühne und lassen Worte aus dem Off an sich abperlen. Dann ergreift der Mann, Djelifily Suko, ein Griot aus Mali, das Wort und erzählt - mutmaßlich, denn er erzählt in einer fremden Sprache - von Guinea-Bissau, von Afrika, von den Weißen in Afrika. Hier und da lacht jemand, der ihn versteht. Dann ist Poungoura an der Reihe ihre Briefe ab 1980. Erst datiert, später auch nummeriert. Denn Poungoura und ihre Familie erkannten schnell, dass die Staatssicherheit die Briefe öffnete; sie las und manche sogar verschwinden ließ. Vermisste Briefe, etwa einer mit Fotos von einer Faschingsfeier in Bissau, tauchen mehr als ein Jahrzehnt später in ihren Stasi-Akten auf. Auch das ist ein Zeitmoment.
Die Rekonstruktion dieser so bizarren, so seltsam vertrauten und aus der zeitlichen Ferne fast unwirklich erscheinenden Verbindung dieses kleinen Landes, das sich selbst eingemauert hat im Herzen Europas mit den Völkern der Welt nimmt größeren Raum ein. Vicente Poungura, Mitkämpfer in der legendären Befreiungsbewegung von Amilcar. Cabral, kam in den 70er Jahren zum Studium in die DDR und traf dort auf Gabriele; die sich in ihn verliebte.
Den Ausgangspunkt für Between the Lines. Briefe aus Bissau, bildete ein Konvolut aus Briefen von Kolja Kunts Tante Gabriele. Sie wanderte in den 70er Jahren von Erfurt nach Guinea-Bissau in Westafrika aus und lebte dort bis zu ihrem Tod vor ein paar Jahren. [...]
So, wie das in Guinea-Bissau gesprochene Créole Sprachen und Einflüsse mischt, verschwimmen all diese Berichte und synästhetischen Eindrücke zu einer einzigen Geschichte. Dabei wird eine Überlegung Koljas über die Bildung des Konjunktiv im Créole bedeutungsschwer: Sie rahmt das Verb in Formen der Zukunft und Vergangenheit ein und denkt, so in der Schnittmenge den Konjunktiv zu erhalten. – Die Bühnenhandlung von "Between the Lines. Briefe aus Bissau" oszilliert genau so zwischen Zukunft und Vergangenheit. Dabei entsteht eine mögliche Geschichte der Auswanderung und Wanderung zwischen Afrika und Europa. Damals wie heute, dort wie hier erzählt sie von Grenzen, Mauern und Zäunen und davon, wie diese überwunden werden. Wenn sich im Bühnenbild von "Between the Lines. Briefe aus Bissau" Reihen weißer Schnüre mit der Projektion von Filmaufnahmen aus Guinea-Bissau vor und zurück, auseinander und zusammen schieben, dann nimmt der Zuschauer dabei auch eine Verschiebung und ein Verschwimmen von hier und dort, Afrika und Europa, von Gegenwart und Vergangenheit wahr. Buchstäblich zwischen diesen Linien werden Stimmen laut, die von Auswanderung und Fremdsein erzählen. In der Stückentwicklung von Auftrag : Lorey (Bjoern Auftrag und Stefanie Lorey) und der Filmemacherin Kolja Kunt findet eine sehr behutsame, poetische und einnehmende Annäherung an eine ganz besondere deutsch-afrikanische Geschichte statt. Die Premiere war am 30. September 2017 Deutschen Theater Berlin.
Den Ausgangspunkt für Between the Lines. Briefe aus Bissau, bildete ein Konvolut aus Briefen von Kolja Kunts Tante Gabriele. Sie wanderte in den 70er Jahren von Erfurt nach Guinea-Bissau in Westafrika aus und lebte dort bis zu ihrem Tod vor ein paar Jahren. [...]
So, wie das in Guinea-Bissau gesprochene Créole Sprachen und Einflüsse mischt, verschwimmen all diese Berichte und synästhetischen Eindrücke zu einer einzigen Geschichte. Dabei wird eine Überlegung Koljas über die Bildung des Konjunktiv im Créole bedeutungsschwer: Sie rahmt das Verb in Formen der Zukunft und Vergangenheit ein und denkt, so in der Schnittmenge den Konjunktiv zu erhalten. – Die Bühnenhandlung von "Between the Lines. Briefe aus Bissau" oszilliert genau so zwischen Zukunft und Vergangenheit. Dabei entsteht eine mögliche Geschichte der Auswanderung und Wanderung zwischen Afrika und Europa. Damals wie heute, dort wie hier erzählt sie von Grenzen, Mauern und Zäunen und davon, wie diese überwunden werden.