
8 ½ Jahre, das ist eine gute Jahreszahl, um Bilanz zu ziehen.
8 ½ Jahre sind genug, um etwas zu begreifen – über sich selbst, über die Welt und über das Theater.
In 8 ½ Jahren kann man das beste Ensemble der Welt, die beste Mannschaft der Welt zusammenstellen und jedem die Möglichkeit geben, sich zu entfalten.
In 8 ½ Jahren kann man sich einflussreiche, gebildete und reiche Freunde verschaffen.
In 8 ½ Jahren kann man sich mächtige und rachsüchtige Feinde machen.
In 8 ½ Jahren habe ich nicht aufgehört, Elend und Schwierigkeiten als Abenteuer zu bezeichnen.
Die ganzen 8 ½ Jahre im Gogol Center hatte ich das Privileg, jeden Tag nur auf schöne und talentierte Menschen zu treffen.
Diese 8 ½ Jahre waren nötig, um genau zu verstehen, dass es von den Schurken weniger gibt als von den guten und anständigen Menschen.
In 8 ½ Jahren sind wir gereift, aber wir sind nicht zu Langweilern und alten Versagern geworden.
8 ½ Jahre reichen aus, um endgültig das eigene Tugend- und Sünden-Verzeichnis aufzustellen.
8 ½ Jahre sind lang genug, um NICHT aufzuhören, diejenigen zu verachten, die die Schönheit zerstören, der Kunst schaden und die Freiheit vernichten.
In 8 ½ Jahren habe ich gelernt, dass es beim Theater nicht um Ehrgeiz geht, sondern um Ehre und Ehrlichkeit.
8 ½ Jahre, das sind zum Glück weniger als die zehn Jahre, die von den Besserwissern für die Etablierung eines Theaters vorausgesetzt werden.
In 8 ½ Jahren haben wir 60 Premieren herausgebracht, waren auf 35 Gastspielreisen und sind dadurch weltberühmt geworden.
In 8 ½ Jahren hatten wir eine Million ZuschauerInnen und haben durch Kartenverkäufe eine Milliarde Rubel eingenommen.
In 8 ½ Jahren habe ich gelernt, keine Angst zu haben vor den eigenen Premieren und vor den Premieren der anderen.
Die ganzen 8 ½ Jahre waren wir glücklich mit unserem wunderbaren, intelligenten, treuen Publikum, und die ZuschauerInnen waren hoffentlich auch glücklich mit uns.
In 8 ½ Jahren habe ich die Bedeutung der Begriffe Treue, Freundschaft, Würde, Anstand und Gewissen NICHT neu definiert.
Es stellte sich heraus, dass man in 8 ½ Jahren etwas erschaffen kann, das man Sinn des Lebens nennen kann und worauf man immer stolz sein wird.
In diesen 8 ½ Jahren wurde mir klar, dass ein Theater zu erschaffen schwieriger ist, als ein Stück zu inszenieren oder einen Film zu drehen und in mancherlei Hinsicht auch schwieriger ist, als ein Haus zu bauen.
Diese 8 ½ Jahre haben bestätigt, dass Ungerechtigkeit so abscheulich ist wie die Hände eines Angehörigen der Nationalgarde OMON, Hände mit einem Elektroschocker, aber das Theater macht es möglich, sogar darüber mit einem Lächeln nachzudenken.
Ja, in 8 ½ Jahren kann man in die Geschichte eingehen – in die Geschichte eines Landes und in die Theatergeschichte.
Es waren 8 ½ mühsame Jahre, es gab keinen einzigen ruhigen Tag, aber ich bedaure nicht einen Tag, nicht eine Stunde, die ich in diesen Wänden verbracht habe.
In 8 ½ Jahren hat sich die Welt um uns herum bis zur Unkenntlichkeit verändert, aber wir sind immer noch jung, immer noch unbekümmert und nach wie vor glücklich.
Erstaunlicherweise haben wir es in diesen 8 ½ Jahren geschafft, Kinder zu bleiben.
Diese 8 ½ Jahre sind mir auch gegeben worden, damit ich die Einsamkeit ein wenig vergesse und das Leben umso mehr lieb gewinne.
Ich habe alle 8 ½ Jahre in großer Liebe verbracht.
In diesen 8 ½ Jahren ist mein Theater zu Eurem Theater geworden.
Ich danke dem Schicksal, Herrn Kapkov und Euch allen, den besten Menschen auf diesem Planeten, für meine 8 ½ Jahre hier.
8 ½ Jahre und das Gogol Center, das ist das, was bei mir bleiben wird die ganze verbleibende Unendlichkeit.
Kirill Serebrennikov (2. Februar 2021)
Übersetzung: Dank an Katja Kollmann
8 ½ Jahre sind genug, um etwas zu begreifen – über sich selbst, über die Welt und über das Theater.
In 8 ½ Jahren kann man das beste Ensemble der Welt, die beste Mannschaft der Welt zusammenstellen und jedem die Möglichkeit geben, sich zu entfalten.
In 8 ½ Jahren kann man sich einflussreiche, gebildete und reiche Freunde verschaffen.
In 8 ½ Jahren kann man sich mächtige und rachsüchtige Feinde machen.
In 8 ½ Jahren habe ich nicht aufgehört, Elend und Schwierigkeiten als Abenteuer zu bezeichnen.
Die ganzen 8 ½ Jahre im Gogol Center hatte ich das Privileg, jeden Tag nur auf schöne und talentierte Menschen zu treffen.
Diese 8 ½ Jahre waren nötig, um genau zu verstehen, dass es von den Schurken weniger gibt als von den guten und anständigen Menschen.
In 8 ½ Jahren sind wir gereift, aber wir sind nicht zu Langweilern und alten Versagern geworden.
8 ½ Jahre reichen aus, um endgültig das eigene Tugend- und Sünden-Verzeichnis aufzustellen.
8 ½ Jahre sind lang genug, um NICHT aufzuhören, diejenigen zu verachten, die die Schönheit zerstören, der Kunst schaden und die Freiheit vernichten.
In 8 ½ Jahren habe ich gelernt, dass es beim Theater nicht um Ehrgeiz geht, sondern um Ehre und Ehrlichkeit.
8 ½ Jahre, das sind zum Glück weniger als die zehn Jahre, die von den Besserwissern für die Etablierung eines Theaters vorausgesetzt werden.
In 8 ½ Jahren haben wir 60 Premieren herausgebracht, waren auf 35 Gastspielreisen und sind dadurch weltberühmt geworden.
In 8 ½ Jahren hatten wir eine Million ZuschauerInnen und haben durch Kartenverkäufe eine Milliarde Rubel eingenommen.
In 8 ½ Jahren habe ich gelernt, keine Angst zu haben vor den eigenen Premieren und vor den Premieren der anderen.
Die ganzen 8 ½ Jahre waren wir glücklich mit unserem wunderbaren, intelligenten, treuen Publikum, und die ZuschauerInnen waren hoffentlich auch glücklich mit uns.
In 8 ½ Jahren habe ich die Bedeutung der Begriffe Treue, Freundschaft, Würde, Anstand und Gewissen NICHT neu definiert.
Es stellte sich heraus, dass man in 8 ½ Jahren etwas erschaffen kann, das man Sinn des Lebens nennen kann und worauf man immer stolz sein wird.
In diesen 8 ½ Jahren wurde mir klar, dass ein Theater zu erschaffen schwieriger ist, als ein Stück zu inszenieren oder einen Film zu drehen und in mancherlei Hinsicht auch schwieriger ist, als ein Haus zu bauen.
Diese 8 ½ Jahre haben bestätigt, dass Ungerechtigkeit so abscheulich ist wie die Hände eines Angehörigen der Nationalgarde OMON, Hände mit einem Elektroschocker, aber das Theater macht es möglich, sogar darüber mit einem Lächeln nachzudenken.
Ja, in 8 ½ Jahren kann man in die Geschichte eingehen – in die Geschichte eines Landes und in die Theatergeschichte.
Es waren 8 ½ mühsame Jahre, es gab keinen einzigen ruhigen Tag, aber ich bedaure nicht einen Tag, nicht eine Stunde, die ich in diesen Wänden verbracht habe.
In 8 ½ Jahren hat sich die Welt um uns herum bis zur Unkenntlichkeit verändert, aber wir sind immer noch jung, immer noch unbekümmert und nach wie vor glücklich.
Erstaunlicherweise haben wir es in diesen 8 ½ Jahren geschafft, Kinder zu bleiben.
Diese 8 ½ Jahre sind mir auch gegeben worden, damit ich die Einsamkeit ein wenig vergesse und das Leben umso mehr lieb gewinne.
Ich habe alle 8 ½ Jahre in großer Liebe verbracht.
In diesen 8 ½ Jahren ist mein Theater zu Eurem Theater geworden.
Ich danke dem Schicksal, Herrn Kapkov und Euch allen, den besten Menschen auf diesem Planeten, für meine 8 ½ Jahre hier.
8 ½ Jahre und das Gogol Center, das ist das, was bei mir bleiben wird die ganze verbleibende Unendlichkeit.
Kirill Serebrennikov (2. Februar 2021)
Übersetzung: Dank an Katja Kollmann
Am 2. Februar 2021 wurde überraschend bekannt, dass der Vertrag von Kirill Serebrennikov als künstlerischer Leiter des Gogol-Center Moskau nicht verlängert wird. Die Kulturabteilung der Moskauer Stadtverwaltung hatte entschieden, den Vertrag Ende Februar 2021 auslaufen zu lassen. In den 8 ½ Jahren, in denen Kirill Serebrennikov das Theaterhaus in Moskau leitete, brachte er es zu internationaler Anerkennung.
Am Deutschen Theater Berlin inszenierte Kirill Serebrennikov im März 2020 Decamerone als Koproduktion mit dem Moskauer Gogol-Center.
Am Deutschen Theater Berlin inszenierte Kirill Serebrennikov im März 2020 Decamerone als Koproduktion mit dem Moskauer Gogol-Center.

Kirill Serebrennikov © Ira Polyarnaya