
Jossi Wieler im Gespräch
Der Regisseur Jossi Wieler inszeniert in der Spielzeit 2020/21 Zdeněk Adamec von Peter Handke am Deutschen Theater Berlin. Nachdem er längere Zeit vor allem im Bereich Musiktheater als Regisseur tätig war, widmet er sich nun wieder dem Schauspiel und gibt damit sein Regiedebüt am DT. Er wurde unlängst mit dem Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2020 ausgezeichnet.
Wir haben ihn zum kurzen Interview getroffen, ihn zum Stück und seiner Inszenierung befragt und mit ihm über die unterschiedlichen Rollen der Regie bei Opern- und Schauspielinszenierungen gesprochen.
Wir haben ihn zum kurzen Interview getroffen, ihn zum Stück und seiner Inszenierung befragt und mit ihm über die unterschiedlichen Rollen der Regie bei Opern- und Schauspielinszenierungen gesprochen.
Das neue Stück von Peter Handke trägt den Namen eines Unbekannten. Wer ist dieser Titelheld? Wer war Zdeněk Adamec?
Zdeněk Adamec ist der Name eines jungen Mannes, der sich im März 2003 im Alter von 18 Jahren auf dem Wenzelsplatz in Prag verbrannt hat. Eine solche Tat hat immer etwas Ungeheuerliches. Es war ein öffentlicher Tod. Trotzdem ist Zdeněk Adamec nicht zum Helden geworden. Auch in Handkes Stück tritt er selbst gar nicht auf. Der Text erzählt von einem Vergessenen– und davon, wie über ein historisches Phänomen, wie über das Schicksal eines Menschen geredet und geurteilt wird.
Und wer sind diese Menschen, die für und über den Titelhelden sprechen?
Peter Handke hat keine Dialoge oder Figuren, sondern einfach Repliken geschrieben. Es wird gesprochen; man weiß in der Vorlage aber nicht genau, wer da redet. Für die deutsche Erstaufführung hier am DT haben wir diese Sätze auf sechs Schauspielerinnen und Schauspieler verteilt. Wir haben versucht, nicht nur eine konkrete Situation, sondern auch konkrete Figuren zu erfinden, die sich diese Sprache individuell aneignen. Bei uns steht eine Gruppe von sechs Musikerinnen und Musikern auf der Bühne: sechs Spielerinnen und Spieler eines Orchesters, die an einem Warteort gestrandet sind. Es ist ein Ort zwischen Dies- und Jenseits. Dort entspinnt sich das Gespräch.
Was waren wichtige Leitgedanken in den Proben der vergangenen Wochen?
Das Stück erzählt vom Tod eines Menschen. Und wir erzählen das Stück in einer Zeit, in der wir täglich mit der Frage konfrontiert sind, was ein Menschenleben wert ist. Wir werden im Moment häufiger als sonst daran erinnert, dass wir sterblich sind. Das ist ein Gedanke, den wir meist sehr weit von uns schieben. Auch die Figuren in unserer Inszenierung denken nicht besonders gern darüber nach. Ihr Reden ist oft zynisch, manchmal auch sehr komisch. Alle suchen nach Distanz. Trotzdem kommen sie von dem Rätsel, das sie redend umkreisen, nie ganz los.
Gab es etwas, das besonders schwierig war?
Die Sprache von Peter Handke szenisch zu versinnlichen, ist eine besondere Herausforderung. Weil sie sehr offen ist, und ungeheuer kunstvoll. Der Autor schreibt mit großer Liebe zur Sprache. Das ist eine Kostbarkeit. Aber auch eine Aufgabe.
Du hast früher sehr viel Schauspiel inszeniert, in den vergangenen Jahren aber vor allem im Musiktheater gearbeitet. Was ist der größte Unterschied?
Die Aufgaben sind sehr verschieden. In der Oper gibt es ein komponiertes Werk. Der Regisseur ist eher Interpret. Im Schauspiel ist der Regisseur auch Komponist. Ich versuche, in den Sound einer Sprachpartitur hinein zu hören und sie dann zum Klingen zu bringen, gemeinsam mit Licht, Ton, Ausstattern und den Schauspielerinnen und Schauspielern, die in diesem Fall vielleicht nicht ganz zufällig selbst Musiker sind.
Danke, Jossi Wieler, für das Gespräch!
Zdeněk Adamec ist der Name eines jungen Mannes, der sich im März 2003 im Alter von 18 Jahren auf dem Wenzelsplatz in Prag verbrannt hat. Eine solche Tat hat immer etwas Ungeheuerliches. Es war ein öffentlicher Tod. Trotzdem ist Zdeněk Adamec nicht zum Helden geworden. Auch in Handkes Stück tritt er selbst gar nicht auf. Der Text erzählt von einem Vergessenen– und davon, wie über ein historisches Phänomen, wie über das Schicksal eines Menschen geredet und geurteilt wird.
Und wer sind diese Menschen, die für und über den Titelhelden sprechen?
Peter Handke hat keine Dialoge oder Figuren, sondern einfach Repliken geschrieben. Es wird gesprochen; man weiß in der Vorlage aber nicht genau, wer da redet. Für die deutsche Erstaufführung hier am DT haben wir diese Sätze auf sechs Schauspielerinnen und Schauspieler verteilt. Wir haben versucht, nicht nur eine konkrete Situation, sondern auch konkrete Figuren zu erfinden, die sich diese Sprache individuell aneignen. Bei uns steht eine Gruppe von sechs Musikerinnen und Musikern auf der Bühne: sechs Spielerinnen und Spieler eines Orchesters, die an einem Warteort gestrandet sind. Es ist ein Ort zwischen Dies- und Jenseits. Dort entspinnt sich das Gespräch.
Was waren wichtige Leitgedanken in den Proben der vergangenen Wochen?
Das Stück erzählt vom Tod eines Menschen. Und wir erzählen das Stück in einer Zeit, in der wir täglich mit der Frage konfrontiert sind, was ein Menschenleben wert ist. Wir werden im Moment häufiger als sonst daran erinnert, dass wir sterblich sind. Das ist ein Gedanke, den wir meist sehr weit von uns schieben. Auch die Figuren in unserer Inszenierung denken nicht besonders gern darüber nach. Ihr Reden ist oft zynisch, manchmal auch sehr komisch. Alle suchen nach Distanz. Trotzdem kommen sie von dem Rätsel, das sie redend umkreisen, nie ganz los.
Gab es etwas, das besonders schwierig war?
Die Sprache von Peter Handke szenisch zu versinnlichen, ist eine besondere Herausforderung. Weil sie sehr offen ist, und ungeheuer kunstvoll. Der Autor schreibt mit großer Liebe zur Sprache. Das ist eine Kostbarkeit. Aber auch eine Aufgabe.
Du hast früher sehr viel Schauspiel inszeniert, in den vergangenen Jahren aber vor allem im Musiktheater gearbeitet. Was ist der größte Unterschied?
Die Aufgaben sind sehr verschieden. In der Oper gibt es ein komponiertes Werk. Der Regisseur ist eher Interpret. Im Schauspiel ist der Regisseur auch Komponist. Ich versuche, in den Sound einer Sprachpartitur hinein zu hören und sie dann zum Klingen zu bringen, gemeinsam mit Licht, Ton, Ausstattern und den Schauspielerinnen und Schauspielern, die in diesem Fall vielleicht nicht ganz zufällig selbst Musiker sind.
Danke, Jossi Wieler, für das Gespräch!

© Inke Johannsen
Jossi Wieler wurde 1951 in Kreuzlingen (Schweiz) geboren und studierte Regie am Theatre Department der Universität Tel Aviv. Als Schauspielregisseur war er in Heidelberg, Bonn, Stuttgart, Basel, Hamburg, Zürich, Berlin, bei den Münchener Kammerspielen sowie wiederholt bei den Salzburger Festspielen tätig. Er setzte mehrfach Werke von Elfriede Jelinek in Szene, 1994 wurde er für seine Inszenierung von Jelineks Wolken.Heim. zum Regisseur des Jahres gewählt. Seine Schauspielarbeiten erhielten zahlreiche Einladungen zu nationalen und internationalen Festivals. 2002 erhielt er den Konrad-Wolf-Preis der Berliner Akademie der Künste, 2005 den Preis der deutschen Kritik, 2009 den Nestroy-Preis für seine Inszenierung von Rechnitz (Der Würgeengel) von Elfriede Jelinek. Diese Arbeit sowie Amphitryon von Heinrich von Kleist (1986, Schauspielhaus Bonn), Alkestis von Euripides (2002) und Mittagswende von Paul Claudel (2005, beides Münchner Kammerspiele) waren zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Seit 1994 inszeniert Jossi Wieler auch im Bereich der Oper, vor allem in Stuttgart und gemeinsam mit Sergio Morabito. Ariadne auf Naxos (2001, Salzburger Festspiele), Doktor Faust (2005, Koproduktion San Francisco/Stuttgart), Alceste und Die Nachtwandlerin (2006 und 2012, beides Oper Stuttgart) wurden jeweils als „Aufführung des Jahres“ ausgezeichnet. 2002 wurden Wieler und Morabito zum „Regieteam des Jahres“ gewählt und erhielten 2006 und 2012 den Theaterpreis DER FAUST (Kategorie „Beste Opernregie“). Von 2011 bis 2018 war Jossi Wieler Intendant der Oper Stuttgart. 2020 wurde ihm mit dem Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring die höchste Theaterauszeichnung der Schweiz zuerkannt.